piwik no script img

Geschlechterrollen und CoronaDer Herd ist nicht das Ziel

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Vor allem die Frauen stecken während Corona beruflich zurück, betreuen die Kinder. Doch die Krise zeigt auch: Systemrelevante Berufe sind weiblich.

Die Pandemie hat gezeigt, dass die meisten „systemrelevanten“ Berufe von Frauen ausgeübt werden Foto: Kay Nietfeld/dpa

D ie Coronapandemie hat Undenkbares denkbar gemacht. Millionen von Menschen begeistern sich fürs Homeoffice, viele Länder zahlen eine Art bedingungsloses Grundeinkommen – und der Staat zeigt sich so handlungsfähig, wie es ihm viele Neoliberale niemals zugetraut hätten. Aber zugleich kann Corona auch Rückschritt bedeuten – und tragischerweise trifft dies vor allem die Frauen.

In den Familien kehren die traditionellen Rollenmuster zurück, wie inzwischen eine Vielzahl von Studien belegt. Die jüngste Erhebung erschien am Donnerstag. Der Zahlungsdienstleister AirPlus hat die Geschäftsreisen in diesem Jahr ausgewertet und dabei ermittelt: Im Januar, also vor Corona, stellten die Frauen 18,6 Prozent der beruflichen Fluggäste. Im Oktober waren es nur noch 12,1 Prozent.

Damit bestätigt sich, was auch schon das Nationale Bildungspanel zutage gefördert hatte: Der Alltag von Müttern ändert sich drastisch. Denn es waren vor allem die Frauen, die sich um den Nachwuchs gekümmert haben, als im Frühjahr die Schulen und Kitas geschlossen waren. Selbst wenn beide Eltern gleich viel arbeiteten, waren fast ein Drittel der Mütter für ihre Kinder allein zuständig. Bei den Vätern hingegen haben nur 9 Prozent ihre Kinder ganz allein betreut.

Vor allem die Frauen haben ihre Arbeitszeit reduziert, ihren Urlaub aufgebraucht oder Überstunden abgebaut. Väter hingegen verkürzten ihre Arbeitszeit fast nie – jedenfalls nicht freiwillig. Ihre Arbeitszeit verringerte sich nur, wenn sie sich in Kurzarbeit wiederfanden.

Allerdings sollte man die Zukunft der Frauen auch nicht zu düster malen. Corona hat gezeigt, dass die meisten „systemrelevanten“ Berufe weiblich sind, nicht männlich. Investmentbanker sind in Krisenzeiten weitgehend überflüssig, Krankenschwestern und Supermarktkräfte hingegen sind es nicht. Dieses kollektive Erlebnis hatte bereits erfreuliche Konsequenzen: In dem neuen Tarifvertrag wurden die Gehälter für Pflegekräfte deutlich angehoben. Zwar sind die Löhne immer noch nicht fair und angemessen – aber ein Anfang ist gemacht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Vor allem die Frauen stecken während Corona beruflich zurück, betreuen die Kinder. Doch die Krise zeigt auch: Systemrelevante Berufe sind weiblich."

    Warum wird das immer negativ betrachtet? Zurückstecken?



    Selbst "nur" eine gute Hausfrau" kann mehr als ich, denn sie kann vielleicht hervorragend kochen oder die Kinder gut erziehen. Akten wälzen oder eine Dummquatscherkonferenz nach der anderen besuche ist besser?

    Das soll nicht heißen, dass ich mir die Frauen zurück an den Herd wünsche.



    Das Problem ist, man kann nicht alles auf einmal haben. Man muss sich entscheiden und daran hapert es oftmals.

  • Wenn man sich vertippt, dann entstehen zeitweise echte Freudsche Versprecher äh Vertipper.



    Aus „... die Frauen betreuen die Kinder“ wird flugs „... die Frauen bereuen die Kinder“

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @snowgoose:

      Ja großartig!



      Kürzlich hat jemand geschrieben, man könne sich ab sofort auch im Kit-Kat-Club untersuchen lassen (Corona).

      Das nenne ich unfreiwillige Komik - mehr davon.

  • Die Kategorie 'systemrelevant' ist doch letztlich völlig unbrauchbar und sollte verworfen werden. Einerseits weil die Abgrenzung sehr unscharf und von der Perspektive abhängig ist. Wie gut würde denn etwa eine kapitalistisch organisierte Wirtschaft ohne die Investmentbanker(*innen) funktionieren, wenn Firmen dann sehr viel schwieriger Zugang zu Risikokapital hätten und Innovation damit gehemmt wäre.



    Andererseits weil dieser Begriff implizit eben auch suggeriert, dass diejenigen die nicht von ihm erfasst werden gewissermaßen überflüssig und ihre Jobs ein Luxus sind der eigentlich zur Disposition gestellt werden kann.



    Sinnvoller als die Missverhältnisse zu kritisieren nur um dann doch wieder die Einteilung in männliche und weibliche Berufe zu bemühen wäre doch die Gründe für diese zu ermitteln. Wie kommt es also dazu, dass es bei der Berufswahl immer noch geschlechtsspezifische Präferenzen gibt? Und wie groß ist der Anteil der Krankenschwestern die darüber trauern nicht doch Investmentbankerin geworden zu sein? Wieso sind es so selten die Väter die Urlaub zur Kinderbetreuung nehmen? Wird all das autoritär-patriarchal erzwungen oder sind es nicht viel eher Strukturen und Normvorstellungen die dazu führen, dass diese Verhältnisse weitestgehendst konsensual aufrecht erhalten werden?