Geschlechtergerechte Löhne: Sprechen wir doch mal über Geld!
Die Koalition streitet über den Gesetzentwurf von Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD). Die Union warnt vor einer Neiddebatte.
Zum Beispiel von Unternehmensbossen und -verbänden wie der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände und des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Sie glauben, dass es zu heftiger Unruhe zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen werde, wenn in den Firmen offen darüber gesprochen werde, wer wie viel verdient. Dieses Argument wiederum hält von Platen für eine Ausrede: „Mit Intransparenz bei den Gehältern wird die Lohnungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern legitimiert.“
Derzeit beträgt die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern laut Statistischem Bundesamt knapp über 21 Prozent. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich auf einem der letzten Plätze (siehe Grafik).
Diese sogenannte unbereinigte Lohnlücke ergibt sich aus dem Bruttostundenlohn. Zieht man Faktoren wie Teilzeit, Kinder- und Pflegezeiten ab, die mehr Frauen als Männer in Anspruch nehmen, ergibt sich eine Differenz von 8 Prozent, hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ausgerechnet. Auch die Tatsache, dass Frauen seltener in Chefsesseln sitzen, trägt zur Einkommensdiskrepanz bei.
Bei den MedizinerInnen mit 26 Prozent (Männer: 82.000 Euro im Jahr, Frauen: 62.000 Euro) und den JuristInnen mit fast 24 Prozent (Männer: 54.000 Euro, Frauen: 41.000 Euro) ist die Lohnlücke am größten, fand die Hamburger Personalberatungsfirma Compensation Partners (COP) heraus. COP ist ein Onlineservice für Gehaltsvergleich und hat bundesweit rund 245.000 Gehaltsdaten ausgewertet. Dabei stellte COP fest, dass sich die Lücke in jenen Branchen verringert, die Fachkräfte suchen. So liegt die Einkommenskluft bei weiblichen und männlichen Ingenieuren laut COP bei 22 Prozent.
Studien hin oder her, seit Jahren beklagen JuristInnen, Frauenverbände, manche Personaldienstleister und Teile der Politik den sogenannten Gender Pay Gap. Die SPD hat bereits in ihrer Oppositionszeit einen Gesetzentwurf erarbeitet, der der Lohnungerechtigkeit an den Kragen will. Ebenso plädieren die Grünen und die Linkspartei für gleiches Geld für gleiche Arbeit.
Für die aktuelle Große Koalition ist das auch ein Thema. Glaubt man dem Koalitionsvertrag, sind sich die „Koalitionspartner einig, dass die bestehende Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen nicht zu akzeptieren ist“. Damit will Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) jetzt Ernst machen. Ende des vergangenen Jahres hat sie Angela Merkel ein „Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern“ ins Kanzleramt gereicht. Doch seitdem ist nicht viel passiert. Zwar haben sich die Koalitionsspitzen in der vergangenen Woche darauf geeinigt, das Papier nicht mehr länger in Merkels Haus schmoren zu lassen. Nun sollen Schwesig und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) miteinander verhandeln.
Doch da fängt das Problem schon an. Schwesig will, dass Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ihre Löhne und Gehälter offenlegen und darüber regelmäßig berichten. Beschäftigte in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (außer Beamte der Länder und Kommunen) sollen ein „individuelles Auskunftsrecht“ haben. Stellt eine Frau dann fest, dass sie für die gleiche Arbeit weniger Geld bekommt als ihr Kollege, kann sie sich beschweren. Liegen fachliche Gründe für den Lohnunterschied vor, muss das die Leitung beweisen. Auch soll in Stellenanzeigen künftig „das vorgeschriebene Mindestentgelt“ angegeben werden.
Skandinavien als positives Beispiel
Das geht der Union zu weit. Unions-Fraktionschef Volker Kauder schimpft, die SPD möge bitte nicht so tun, als ob die Union keine Lohngerechtigkeit wolle. Marcus Weinberg, familienpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, forderte Schwesig auf, „einen geänderten Entwurf“ vorzulegen. Einer, der den Vorgaben des Koalitionsvertrags entspreche. Doch der ist gar nicht so genau formuliert. Da heißt es eher schwammig: „Gemeinsam mit den Tarifpartnern wollen wir die Feststellung des Wertes von Berufsfeldern, von Arbeitsbewertungen und die Bewertung von Fähigkeiten, Kompetenzen und Erfahrungen voranbringen.“
Die Unternehmensberaterin Henrike von Platen versteht den Koalitionsstreit nicht. Sie fragt sich, woher die Angst vor Missgunst und Neid rührt, wenn Gehälter bekannt sind? Von Platen verweist auf diesbezügliche Erfahrungen der skandinavischen Länder, in denen die Steuerdaten aller Steuerpflichtigen im Internet veröffentlicht werden. „Von einer Neiddebatte habe ich dort noch nichts gehört. Die Menschen finden nichts langweiliger als Gespräche über veröffentlichte Gehälter.“
Im Gegensatz zu den TransparenzkritikerInnen glaubt sie, dass offene Gehaltsdaten eher zu „mehr Wohlbefinden“ führen: Diejenigen, die glauben, zu wenig zu bekommen, würden sehen, dass das möglicherweise gar nicht so ist. Und diejenigen, die viel verdienen, könnten sich zufrieden zurücklehnen und sich sagen: So schlecht stehe ich doch gar nicht da.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Nichtwähler*innen
Ohne Stimme