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Geschichtsaufarbeitung in RumänienWeg frei für Holocaust-Museum

Präsident Johannis unterzeichnet das Gesetz für ein Museum über den Holocaust. Nationalisten und Rechtsradikale lehnen das Projekt vehement ab.

Auch in dieser Bukarester Kirche wird Ion Antenescu mit einem ikonenartigen Gemälde gehuldigt Foto: William Totok

Berlin taz | Rumäniens Präsident Klaus Johannis hat am Dienstag ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz unterzeichnet, das die Errichtung eines Museums für die Geschichte der Juden und des Holocaust in Rumänien vorsieht. Das Museum wird in einem zentral gelegenen Gebäude in der Hauptstadt Bukarest eingerichtet. Das Gesetz sieht vor, dass das Museum dem Institut zur Erforschung des rumänischen Holocaust „Elie Wiesel“ (INSHR-EW) untersteht. Finanziert wird es aus öffentlichen Mitteln sowie Privatspenden.

Anlässlich der Unterzeichnung des Gesetzes hielt Johannis eine Rede, in der er den Beitrag der rumänischen Juden zur Entwicklung der Wirtschaft und Kultur des Landes würdigte. Zudem betonte er, die Notwendigkeit einer ehrlichen und kritischen Geschichtsschreibung und -aufarbeitung.

Eine Aufarbeitung der Geschichte des von dem faschistischen Militärregime unter dem Hitlerverbündeten Ion Antonescu durchgeführten Vernichtungsprogramms der rumänischen Juden stagnierte in den ersten Jahren nach dem politischen Umsturz von 1989.

Antonescu, der Hauptverantwortliche für den Tod von etwa 380.000 rumänischen und ukrainischen Juden, wurde in den Medien als „großer Patriot, antibolschewistischer Kämpfer, Verteidiger des Christentums und Held beim Überfall auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg“ gepriesen. Straßen erhielten seinen Namen, in einigen Städten errichtete man Denkmäler. In orthodoxen Kirchen wird er auch heute noch auf ikonenhaften Wandgemälden dargestellt.

Vernichtung in Eigenregie

Gegen den Kult Antonescus, der 1946 als Kriegsverbrecher zum Tod verurteilt wurde, gab es wiederholt Proteste seitens ausländischer Politiker. Eine vom Expräsidenten Ion Iliescu einberufene internationale Kommission unter dem Vorsitz des 2016 verstorbenen Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel, erhielt 2004 den Auftrag, die Involvierung Rumäniens in den Holocaust zu untersuchen.

Im Abschlussbericht der Kommission heißt es, dass außer Deutschland nur noch Rumänien in einem vergleichbaren Ausmaß an Massakern an Juden beteiligt gewesen sei. Die Zahl der im Bericht genannten jüdischen Opfer liegt zwischen 280.000 und 380.000, die der Roma bei mindestens 11.000 Personen. Hervorgehoben wird, dass Rumänien die Vernichtung der nach Transnistrien deportierten Juden und Roma in Eigenregie durchgeführt hat.

Zahlreiche nationalistische Historiker versuchen die Verantwortung des Regimes zu bagatellisieren, indem sie auf die etwa 300.000 überlebenden Juden im rumänischen Kernland hinweisen, die Antonescu gerettet habe. In Rumänien lebten zwischen den Weltkriegen über 700.000 Juden. Laut Volkszählung von 2011 zählt die jüdische Gemeinde 3.271 Mitglieder.

Nationalisten haben sich in den vergangenen Monaten wiederholt gegen die Errichtung des Museums ausgesprochen und sich an antisemitisch unterlegten Protestaktionen beteiligt. Ein ursprünglich für das Museum vorgesehenes Gebäude im historischen „Leipziger“-Stadtviertel – Lipscani – lehnte der Bukarester Stadtrat ab.

Gedenkstätte für Kommunismus-Opfer

Einer der vehementesten Gegner des anfangs geplanten Standortes war der Bukarester Vize-Bürgermeister, Aurelian Bădulescu. Seine Haltung begründete er mit dem Hinweis, das Leipziger-Viertel sei „eine von Rumänismus durchtränkte Zone“. Gleichzeitig erklärte er, dass er in Bukarest eine Büste von Ion Antonescu aufstellen wolle, denn dieser gehöre ebenso zur Geschichte Rumäniens, wie die von „den Nazis massakrierten und ermordeten Juden“.

Das Museum lehnen auch rechtsradikale Gruppen ab. Diese fordern die Errichtung einer den Opfern des Kommunismus gewidmeten Gedenkstätte. Sie bezeichnen das jahrelange Plädoyer des Wiesel-Instituts für ein Museum in Bukarest als eine „Frechheit“.

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