Geschäfte mit Pflegebedürftigen: Wenn die Goldgrube erschöpft ist
Ein Pflegeheim-Investor verklagt den Landkreis Hildesheim, weil er sich vom Betreiber betrogen fühlt. Hätte die Heimaufsicht eingreifen müssen?
Diese Klage hat eine lange und verwickelte Vorgeschichte, an der sich vor allem die lokalen Zeitungen, die Hildesheimer Allgemeine Zeitung und die Alfelder Zeitung, nun schon seit einem Jahrzehnt die Finger wundschreiben.
2011 hatte der Investor eine Immobilie in der Nähe von Hildesheim erworben, in der sich auch zuvor schon ein Seniorenheim mit rund 120 Plätzen befand. Die Betreibergesellschaft war insolvent. Der Unternehmer schloss einen Vertrag mit einer neuen Betreibergesellschaft, die ab 2012 den Betrieb übernahm.
Doch bald kam es zu Streitigkeiten zwischen dem Hauseigentümer und seinem Pächter. Der Betreiber der Seniorenresidenz behauptete, gravierende Mängel an der Immobilie festgestellt zu haben – darunter schwerwiegende Brandschutzmängel – und kürzte die Pacht zunächst um 50 Prozent, stellte später die Zahlungen ganz ein.
Handwerkern Hausverbot erteilt
Eine Beseitigung der Mängel soll er allerdings, nach der Darstellung des Immobilienbesitzers, dadurch sabotiert haben, dass er Architekten und Handwerkern Hausverbot erteilte.
Der Investor unterstellt ihm daher ein spezielles Geschäftsmodell: Denn die Beiträge der Heimbewohner flossen ja weiter – inklusive des darin enthaltenen Anteils für Miet- und Investitionskosten. Daraus entspann sich ein über mehrere Jahre andauernder Rechtsstreit, der vom Landgericht Hildesheim ans Oberlandesgericht Celle und zurück wanderte.
In der Zwischenzeit sank die Belegungsquote des Heimes, Pflegekräfte kündigten oder wurden entlassen, beklagten öffentlich die unsäglichen Arbeitsbedingungen. Mehrere Arbeitsprozesse schlossen sich an, in denen es um nicht gerechtfertigte fristlose Kündigungen und ausstehende Zahlungen ging. Auch Pflegebedürftige und Angehörige beklagten die anhaltenden Unruhen.
Der Pflegeheim-Betreiber setzte schließlich einen Liquidator ein, der eine Auflösung des Geschäftsbetriebes vorbereiten sollte. Gleichzeitig suchte der Investor eine neue Betreibergesellschaft und erwirkte einen Räumungstitel. Umsetzen ließ sich der allerdings nicht mehr – zunächst, weil der Investor die dafür aufzubringende Kaution von 850.000 Euro nicht auf Anhieb aufzubringen vermochte.
Investor: Heimaufsicht regelmäßig informiert
Mit dieser Kaution sichert sich der Staat ab, für den Fall, dass der Räumungsbeschluss in einer weiteren Instanz kassiert wird und Schadensersatzforderungen entstehen.
Am Ende war es ohnehin zu spät: Die Betreibergesellschaft meldete Insolvenz an, forderte die Angehörigen der verbleibenden, teils hochbetagten 20 Bewohner auf, kurzfristig neue Plätze zu suchen und schickte das verbliebene Pflegepersonal vorerst in den Urlaub – obwohl die nächste Betreibergesellschaft schon in den Startlöchern stand und gern übernehmen wollte.
Aus Sicht des Investors, der sagt, er habe die Heimaufsicht des Kreises ab 2015 regelmäßig über die Schwierigkeiten in der Einrichtung informiert, hätte es verschiedene Zeitpunkte gegeben, an denen diese hätte eingreifen können und müssen.
Dann wären ihm nicht Pachtzahlungen entgangen, die sich – seinen Berechnungen zufolge – auf mittlerweile mehr als fünf Millionen Euro (inklusive Zinsen) summieren.
Für Geschäftsinteressen nicht zuständig
Tatsächlich hat sich die Heimaufsicht in dieser Angelegenheit von Pressevertretern und Kommunalpolitikern eine Menge unangenehmer Fragen gefallen lassen müssen – diese aber meist mit dem Hinweis auf Datenschutz und laufende Verfahren nicht wirklich beantwortet.
Dass der Investor nun mit einer Amtshaftungsklage versucht, an sein Geld zu kommen, ist vielleicht verständlich, aber möglicherweise nicht sehr aussichtsreich, lässt der Vorsitzende Richter und Vizepräsident des Landgerichtes, Jan-Michael Seidel, durchblicken. Dazu müsste der Immobilienbesitzer nämlich erst einmal direkt von einer Amtspflichtverletzung betroffen sein und nicht bloß mittelbar.
Die Amtspflichten der Heimaufsicht, wie sie im „Niedersächsischen Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWG)“ festgeschrieben sind, dienten aber ausschließlich dazu, die Rechte und die Würde der Bewohner zu schützen – und nicht die finanziellen Interessen von Geschäftspartnern, erklärt Seidel.
Dass, so argumentieren die Anwälte des Investors, stimme nicht so ganz: Immerhin habe die Heimaufsicht laut Gesetz auch über die Eignung und Zuverlässigkeit der Leitung zu wachen – und die sei hier ja offensichtlich nicht gegeben gewesen.
Gericht entscheidet im Januar
Der Anwalt des Landkreises wirft dem Kläger hingegen vor, sich nun nur an das Amt zu wenden, weil er befürchten muss, beim Mangel an Insolvenzmasse leer auszugehen. Außerdem habe er ja gar nicht alle Mittel ausgeschöpft, um gegen den eigentlichen Schadensverursacher, den Inhaber der Betreibergesellschaft, vorzugehen.
Der Investor wirft den Behörden seinerseits vor, ja nicht einmal überprüft zu haben, ob der Heimbetreiber die ausstehenden Pachtzahlungen tatsächlich auf einem Treuhandkonto geparkt habe, wie er es in den vorangegangenen Gerichtsverfahren behauptet hatte.
Vier Wochen haben beide Parteien nun Zeit, ihre Argumente in einem schriftlichen Verfahren detaillierter darzulegen. Einen weiteren mündlichen Verhandlungstermin wird es nicht geben. Anfang Januar will das Gericht dann seine Entscheidung verkündigen.
Der Seniorenheim-Betreiber hat mittlerweile ein neues Seniorenheim im Kreis Hildesheim eröffnet und betreibt weitere Einrichtungen im Pflegesektor in verschiedenen Bundesländern.
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