Geschäfte bei Max-Planck-Gesellschaft: Wolken über dem Olymp

Während die deutsche Nobelpreisschmiede Max-Planck-Gesellschaft ihren neuen Präsidenten krönte, schwelte im Hintergrund ein Korruptionsverdacht.

Was er dazu wohl gesagt hätte? Bild: dpa

BERLIN taz | „Hier ist die Elite schlechthin versammelt“, jubelte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), als die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) in der vorigen Woche in München ihren Präsidentenwechsel zelebrierte. Die Organisation der Grundlagenforscher, Hort von 17 Nobelpreisträgern, wähnt sich im Olymp der deutschen Wissenschaften. Gleichzeitig zogen sich Wolken der Kritik zusammen: „Forscher unter Korruptionsverdacht“, meldeten Medien. Eine Schlagzeile, die die MPG immer vermeiden wollte.

„Bei der Max-Planck-Gesellschaft sollen Millionen Forschungsgelder in dunkle Kanäle geflossen sein“, berichteten das Nachrichtenmagazin Spiegel und das Politmagazin „Report Mainz“ des Südwestrundfunks (SWR). Ihnen lagen Dokumente des Bayerischen Obersten Rechnungshofes vor, der im Jahre 2011 die Organisation der Produktion von Silizium-Chips für Forschungszwecke beanstandet hatte.

Damals kooperierte das Münchener Halbleiterlabor der MPG (HLL), unter Leitung des Physikers Lothar Strüder, mit einer Verwertungsfirma PNSensor, an der die Ehefrau des Forschers mehrheitlich beteiligt war. Überschuss-Chips, die in der Forschung nicht gebraucht wurden, sogenannte Driftdetektoren, konnte PNSensor an die Industrie weiterverkaufen. Es soll sich um ein Auftragsvolumen in Höhe von 7 Millionen Euro gehandelt haben. Die Finanzaufseher bemängelten Intransparenz: „Interessenkonflikte können nicht ausgeschlossen werden“, so der Rechnungshof.

Der Verdacht, auf den HHL-Maschinen seien Detektoren nur für den Vertrieb durch PNSensor produziert worden, wurde von Strüder, der seit 2012 nicht mehr der MPG angehört, gegenüber Spiegel und SWR „entschieden zurückgewiesen“. Es habe sich um im Rahmen von Forschungsvorhaben entstandene Überschussstücke gehandelt, „die erst, nachdem sie für die Forschung keine Relevanz mehr hatten, zur Veräußerung bereitstanden“, so der Forscher in einer Stellungnahme.

Beziehungen in die Industrie neusortiert

Gleichwohl nahm die MPG nach der Rechnungshof-Kritik unter Regie ihres damaligen Vizepräsidenten Martin Stratmann, mittlerweile Präsident, eine Reorganisation des Halbleiterlabors und seiner Industriebeziehungen vor. Der Rechnungshof schloss daraufhin sein Prüfungsverfahren ab. Einen „Anfangsverdacht“ in Richtung Unterschlagung oder anderer strafrechtlich relevanter Handlungen sah die Behörde nicht gegeben. „Wenn der Rechnungshof es für erforderlich gehalten hätte, hätte er selbst Anzeige erstatten können“, erklärte die MPG-Pressesprecherin Christina Beck gegenüber der taz.

Allerdings ist der Verdacht noch nicht endgültig vom Tisch. Vor allem die Beziehungen zwischen der Firma PNSensor, einer formalrechtlich gemeinnützigen GmbH ohne Gewinnabsicht, und dem Tochterunternehmen PNDetector, sind weiterhin undurchsichtig. „Die Ergebnisse einer von der MPG eingeschalteten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft lieferten keine Anhaltspunkte dafür, dass PNSensor die Detektoren zu niedrigeren Preisen an PNDetector veräußert hat als an andere Kunden“, stellte die MPG zwar in einer am Mittwoch verbreiteten Erklärung fest. „Bislang“ habe die MPG „keine Belege für einen ihr entstandenen finanziellen Schaden“.

Dennoch dringt die MPG darauf, Einsicht in die Wirtschaftsbücher der PN-Unternehmen zu nehmen, und hat dazu ein „Auskunftsbegehren“ gestellt. MPG-Sprecherin Beck: „Es gibt zwar Vermutungen, aber noch keine Belege. Deshalb wollen wir, dass die Bücher von PNSensor offengelegt werden“. Erst danach könne über weitere Schritte entschieden werden, wozu auch eine Strafanzeige zählen kann.

Die Feststimmung im Münchner Prinzregententheater wurde davon nicht getrübt. Dort überreichte in der vergangenen Woche Peter Gruss, der die MPG mit ihren 5.470 Wissenschaftlern in 82 Instituten in den letzten 12 Jahren als „charmanter Sonnenkönig der Wissenschaften“ (Manager Magazin) geführt hatte, die Amtskette an seinen Nachfolger Martin Stratmann. Dieser war zuletzt Direktor am Max-Planck-Institut für Eisenforschung in Düsseldorf und hat deshalb MPG-intern den Spitznamen „Iron Man“ weg.

Rückzug aus der Fläche

Ob sich dies auch in der Forschungspolitik seiner Organisation umsetzt, muss sich zeigen. In einer ersten Äußerung kündigte Stratmann bereits an, dass die MPG nicht mehr die gesamte Fläche der Bundesrepublik bespielen, sondern zu stärkeren regionalen Konzentrationen gelangen wolle. Dies verbessere die Interdisziplinarität zwischen den Fächern und erhöhe die Attraktivität für ausländische Forscher, die ihre Kinder auf internationale Schulen schicken wollen.

Selbst der Rückzug aus der deutschen Hauptstadt ist für die MPG nicht mehr tabu, jedenfalls in Gestalt der „Science Gallery“, die drei Jahre lang am Berliner Gendarmenmarkt betrieben wurde. Im März wurde das Etablissement in den wenig geeigneten Räumen eines vorherigen Friseursalons geschlossen. Zu wenig Publikum interessierte sich für die Hightech-Ausstellungen über Grundlagenforschung.

Dabei galt die Max Planck Science Gallery als inoffizieller Probelauf für das „Haus der Zukunft“, das neben dem neuen Bundesforschungsministerium entstehen soll. Kein gutes Omen.

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