Gerichtsverfahren wegen angeblich zu lauter Demo: Viel Lärm um nichts
Nach einer Anti-Gentrifizierungsdemo steht der Versammlungsleiter vor Gericht. Der Vorwurf: Die Demo sei zu laut gewesen.
Selbst der Richterin war die Faktenlage am Ende zu dünn, um darauf ein Urteil zu stützen: Sie stellte am Freitag nach kurzer Verhandlung vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten das Verfahren gegen den Versammlungsleiter der „Interkiezionalen Demonstration“ für den Erhalt des Kiezladens Friedel 54 ein. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.
Im Juni war dem jungen Mann ein Bußgeldbescheid in Höhe von 400 Euro zugestellt worden – wenige Tage vor der endgültigen Räumung des Alternativprojekts im Neuköllner Reuterkiez. Der Vorwurf: Die abendliche Demo Ende April sei zu laut gewesen – mutmaßlich ein Verstoß gegen das sogenannte Immissionsschutzgesetz.
Dagegen legten der Beklagte und seine Anwältin Beschwerde ein: Lautstärke sei der grundsätzliche Zweck einer Demonstration, um deren politisches Anliegen nach außen zu tragen.
Der einzige Zeuge, ein damals eingesetzter Verbindungsbeamter der Polizei, konnte vor Gericht wenig Erhellendes beitragen. Nein, man habe keine Lärmpegelmessung vorgenommen – dafür habe man gar keine Geräte. Und eigentlich sei der Kontakt zur Versammlungsleitung recht kooperativ gewesen. Zwar sei es eine Demonstration der „Kategorie lauter“ gewesen so der Beamte, man habe sich aber noch „recht gut unterhalten“ können.
Bleibt die Frage, weshalb überhaupt so viel Lärm um nichts gemacht wurde. Lag es wirklich, wie in dem Bußgeldbescheid behauptet, an Beschwerden von Anwohnern? Oder war das Verfahren doch eher der aufgeheizten Stimmung um die Räumung des Kiezladens in der Friedelstraße 54, der zum Symbol für den Berliner Kampf gegen globale Immobilien-Finanzkapitalnetzwerke geworden war? Fakt am Rande: Seit vier Monaten stehen die Räume des ehemaligen Kiezladens nun schon leer. Was mit ihnen zukünftig geschieht, weiß noch immer niemand.
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