Gerichtsurteil offenbart Gesetzeslücke: Neonazi-Tagesmutter darf arbeiten
Aufgrund fehlender Regelung muss der Landkreis Ludwigslust-Parchim eine rechtsextreme Tagesmutter zulassen, urteilte das Verwaltungsgericht Schwerin.
T agesmütter sind nicht verpflichtet, die Werte des Grundgesetzes zu vermitteln. Das ist die Botschaft, die am vergangenen Donnerstag das Verwaltungsgericht Schwerin vermittelte: Das Gericht urteilte zugunsten der Rechtsextremen Claudia K. Sie pochte erfolgreich auf ihre angestrebte Tätigkeit als Tagesmutter. Die Ablehnung des Landkreises Ludwigslust-Parchim, K. als Tagesmutter zuzulassen, hob das Gericht auf.
Diese gerichtliche Bewertung klingt nach einem Freibrief für die rechtsextreme Szene. Auch deshalb will der Landkreis die Entscheidung nicht ohne Weiteres hinnehmen: Die vollständige schriftlichen Urteilsbegründung möchte Christopher Pöschke zwar noch abwarten. Der Leiter des Fachdienstes Recht, Kommunalaufsicht und Ordnung deutete aber schon an, erneut vor Gericht zu ziehen.
Der Landkreis begründete die Ablehnung sowohl mit den Aktivitäten ihres Mannes in der NPD als auch ihres Engagement in der rechtsextremen Szene. Ihrer Tätigkeit als Tagesmutter stünde entgegen, dass eine schädliche ideologische Einflussnahme auf die zu betreuenden Kinder nicht ausgeschlossen sei.
Seit Jahren ist die Familie K. in der Region Ludwigslust tief in der Szene verankert. Im niedersächsischen Eschede nahm Claudia K. an einem Event der später verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ teil. Aufnahmen belegen die Präsenz bei der Erziehung von Kindern und Jugendlichen im rechtsextremen Geist für den „nationalen Widerstand“. Ihr Mann, Torgai K., wollte auch mal für die NPD zur Bürgermeisterwahl antreten.
Keine gesetzliche Vorschrift für Tagespflegepersonen
Das Verwaltungsgericht sah entgegen der Ansicht des Landkreises keine Gefährdung des Kindeswohls. In der vorgetragenen Begründung wies die Kammer auf eine fehlende gesetzliche Vorschrift hin. Denn die bisher vorgetragenen Argumente des Landkreises würden sich vor allem auf das Kindertagesförderungsgesetz des Landes beziehen. Darin wird zwar von Kindertagesstätten gefordert, die Ziele des Grundgesetzes in ihre Arbeit einzubeziehen. Die Forderung bezieht sich aber nicht auf Tagespflegepersonen. Das Gericht schlussfolgert so auch, dass für Tagesmütter keine gesetzliche Vorschrift vorliege, „dem Grundgesetz förderliche Arbeit“ leisten zu müssen.
In der rechtsextremen Szene soll die Idee der eigenen Kinderbetreuung schon weit vor den staatlichen Maßnahmen wegen der Pandemie thematisiert worden sein. Seit Beginn der Pandemie überlegten aber auch Menschen aus dem Querdenken-Milieu, ihre Kinder dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Beide Spektren streben auch im Norden teilweise gemeinsame Projekte an.
Zwar dürften in der Region Ludwigslust künftig kaum Kinder aus nicht rechten Familien in Claudia K.s Obhut kommen – dafür ist ihre Gesinnung vor Ort zu bekannt. Der Staat würde dann aber eine rechte Kindererziehung in einer Kleingruppe alimentieren.
Noch ist Pöschke aber zuversichtlich: Die Anforderung der Grundgesetztreue für Tagespflegepersonen ließe sich auch aus weiteren Vorschriften ableiten.
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