piwik no script img

Gerichtsurteil in den USAGreenpeace soll 660 Millionen Dollar an Ölfirma zahlen

Lange sorgte die umstrittene Öl-Pipeline Dakota Access Pipeline in den USA für wütende Proteste. Jahre später fällt nun ein aufsehenerregendes Urteil.

Proteste gegen den Bau der Pipeline im Jahr 2016 nähe der Siedlung Cannon Ball am Missouri Foto: AP/John L. Mone

Washington AFP/dpa | Die Umweltschutzorganisation Greenpeace ist am Mittwoch von einem Gericht im US-Bundesstaat North Dakota zur Zahlung von mehreren hundert Millionen Dollar Schadenersatz an den Betreiber einer Ölpipeline verurteilt worden. Dem von der Nachrichtenagentur AFP eingesehenen Urteil zufolge belaufen sich die Zahlungen an Energy Transfer (ET) auf mehr als 660 Millionen Dollar (605 Millionen Euro). Greenpeace kündigte Berufung an. Der Pipeline-Betreiber hingegen begrüßte das Urteil und wies Vorwürfe zurück, er wolle mit dem Prozess die Meinungsfreiheit unterdrücken.

ET hatte Greenpeace wegen Protesten gegen die Pipeline, die durch Gebiete von Sioux-Stämmen führt, auf Schadenersatz verklagt. Das Unternehmen warf Greenpeace eine gewalttätige und verleumderische Kampagne vor. Einem lokalen Medienbericht zufolge beschuldigte der ET-Anwalt Trey Cox die NGO in seinem Schlussplädoyer, den Stamm der Standing Rock Sioux „auszunutzen“, um ihre Agenda gegen fossile Brennstoffe voranzutreiben.

In seinem anschließenden Urteil befand das Gericht in der Stadt Mandan Greenpeace unter anderem wegen Hausfriedensbruchs, Belästigung, Verschwörung und Zugangsentzugs zu den Grundstücken des Pipeline-Betreibers für schuldig.

Nach der Urteilsverkündung dankte das Unternehmen dem Richter und den Geschworenen „für den unglaublichen Zeitaufwand und die Mühe, die sie in diesen Prozess investiert haben“. „Wir freuen uns zwar, dass Greenpeace für seine Handlungen zur Rechenschaft gezogen wird“, erklärte ET. Doch dieser Sieg gehöre den Menschen „in Mandan und ganz North Dakota, die die täglichen Schikanen und Störungen durch die von Greenpeace finanzierten und ausgebildeten Demonstranten ertragen mussten“.

Greenpeace kündigt Berufung an

Greenpeace kündigte derweil an, gegen das Urteil Berufung einzulegen. „Wir werden nicht zurückweichen und uns nicht zum Schweigen bringen lassen“, sagte Kristin Casper von Greenpeace International am Mittwoch der AFP.

Die Aktivisten werfen Energy Transfer überdies vor, mit Hilfe von Schadenersatzklagen abweichende Meinungen zu unterdrücken. Derzeit läuft deswegen in den Niederlanden, dem Sitz von Greenpeace International, eine Klage gegen Energy Transfer. Bei der im Februar eingereichten Klage beruft sich die NGO auf ein EU-Gesetz zur Bekämpfung missbräuchlicher Verfahren. Eine Anhörung ist für den 2. Juli angesetzt.

Während des jahrelangen Rechtsstreits hatte der ET-Geschäftsführer, der Milliardär und Trump-Unterstützer Kelcy Warren, aus seinen Beweggründen keinen Hehl gemacht. In Interviews äußerte er unter anderem, „Hauptziel“ bei der Klage gegen Greenpeace sei nicht nur die finanzielle Entschädigung. Er wolle damit auch „ein Signal senden“.

Die knapp 1900 Kilometer lange Dakota Access Pipeline war 2017 in Betrieb genommen worden. Es geht in dem Fall um die Pipeline Dakota Access, die von Ölfeldern im Bundesstaat North Dakota an der Nordgrenze der USA bis zu Verteilzentren im Bundesstaat Illinois im Mittleren Westen verläuft. Sie ist seit 2017 in Betrieb. US-Präsident Donald Trump hatte in seiner ersten Amtszeit grünes Licht für die Inbetriebnahme der Pipeline gegeben. Unter seinem Vorgänger Barack Obama hatte das Projekt auf Eis gelegen.

Der Stamm der Standing Rock Sioux und der Nachbarstamm der Cheyenne River Sioux, die in dem Gebiet heilige Stätten haben, waren juristisch gegen die Pipeline vorgegangen. Sie prangerten nicht nur eine Entweihung des Landes an, sondern befürchteten zudem, dass Trinkwasser durch Lecks an der Leitung verseucht werden könnte. Die Pipeline führt unter anderem durch einen See.

ET ging indes weiter gegen die NGO vor, die nach eigenen Angaben bei den Protesten nur eine untergeordnete Rolle spielte. Ursprünglich verklagte ET Greenpeace auf 300 Millionen Dollar Schadenersatz, scheiterte damit aber vor einem Bundesgericht. Dann verlagerte das Unternehmen sein juristisches Vorgehen auf die Gerichte des Bundesstaates North Dakota – einem der wenigen US-Bundesstaaten, in denen es keinen Schutz gegen so genannte „strategische Klagen gegen die Öffentlichkeit“ (Slapp) gibt.

Urteil wird Proteste beeinflussen

Nach Einschätzung des Rechtsexperten Michael Burger von der Columbia University können Klagen dieser Art den „Effekt haben, rechtmäßige Proteste zu unterdrücken und von freier Meinungsäußerung abzuhalten“. Sie sollten daher einer strengeren Prüfung unterzogen werden, sagte er der AFP.

Der ebenfalls an der Columbia University lehrende Umweltrechtsexperte Michael Gerrard hält Auswirkungen des Urteils gegen die NGO auf ähnlich geführte Klimaproteste für möglich. „Dieses Urteil wird Proteste herunterfahren, die fossile Brennstoff-Projekte gewaltsam blockieren“, sagte er der AFP. „Friedliche“ Proteste hingegen sollten aus seiner Sicht von dem Urteil unbeeinträchtigt bleiben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Würde man den Sioux den Betrieb von Spielcasinos auf ihrem Stammesgebiet erlauben, gäbe es plötzlich keine heiligen Stätten mehr. So geschen in Florida, Seminole indians.

  • Wäre interessant zu wissen, ob es sich um einen Richter handelt, den Trump installiert hat.



    Der Krieg arm vs. reich ist in vollem Gange (und sieht für arm sehr schlecht aus).

    • @Andreas Braun:

      Es ist ein große Denkfehler dem viele Umweltschützer erliegen, den Klimaschutz und sozialistische Gesellschaftsänderung aneinander koppeln zu wollen. Derjenige Teil der Gesellschaft welcher letzteres nicht will, wird sich gegen das gesamte Unterfangen zur Wehr setzen und damit den (wichtigen) Klimaschutz aushebeln.

      • @maxwaldo:

        Die Standing Rock Sioux gehen nicht wegen Klimaschutz oder Sozialismus gegen die Pipeline vor, sondern weil kulturell wichtige Orte entstellt werden und weil sie Umweltschäden durch Lecks befürchten. Dabei werden sie von Greenpeace unterstützt.

        Hierzulande wäre das vergleichbar mit Protesten von Anwohnern gegen den Bau eine Ölraffinerie im Wasserschutzgebiet direkt neben der Dorfkirche.

  • Dieses Jahr ist Greenpeace dran mit meiner Jahresspende. Anders als die Letzte Generation hat Greenpeace immer den Umweltsündern ans Bein gepinkelt und nie willkürlich Straßen und Flughäfen von Bürgern blockiert.