Gerichtsprozess zu Filesharing: WLAN ohne Nebenwirkung
Ein Beschluss stärkt Privatleute, die ihren drahtlosen Netzzugang anderen anbieten. Der Bereitsteller haftet nicht für Rechtsverletzungen Dritter.
BERLIN taz | Ein Freifunker, der seinen Internetzugang über ein offenes WLAN anderen Nutzern zur Verfügung stellt, muss nicht haften, wenn diese darüber Rechtsverletzungen begehen. Das geht aus einem Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg hervor, der nun veröffentlicht wurde.
Der Freifunker hatte ein Unternehmen verklagt, das unter anderem Filme vertreibt und ihn wegen Filesharing abmahnte und Schadenersatz forderte. Dagegen wehrte sich der Betroffene und wollte gerichtlich feststellen lassen, dass er nicht haftbar ist, wenn Dritte über sein offenes WLAN etwa illegal Filme herunterladen. Dieser Auffassung schloss sich das Gericht an – ein Novum.
Nach Angaben des Vereins Digitale Gesellschaft ist es das erste Mal, dass ein Gericht damit eindeutig auch für Privatpersonen das sogenannte Providerprivileg anerkennt. Das besagt, dass der Bereitsteller eines offenen WLAN nicht für Rechtsverletzungen Dritter haftet und auch nicht überwachen muss, was andere in dem von ihm angebotenen Netz tun.
Denn wer sein WLAN nicht mit einem Passwort absichert, sondern Nachbarn, Besuchern und Passanten ermöglicht, es ohne Weiteres mitzunutzen, kann bislang Probleme bekommen. Zwar sieht das Telemediengesetz jetzt schon vor, dass nicht nur Gewerbetreibende wie Cafés oder Hoteliers nicht für Rechtsverstöße haften, die über ihr WLAN begangen werden, sondern dass auch Privatpersonen, die einen solchen Zugang anbieten, von der Haftung befreit sind. In der Praxis geschieht es jedoch immer wieder, dass Unternehmen vor allem der Film- und Musikindustrie Privatleute abmahnen, wenn ein Dritter über den Zugang etwa illegal Musik heruntergeladen hat.
Nicht nur eine „erfreuliche Entwicklung“
Die schwarz-rote Koalition hatte bereits während der Koalitionsverhandlungen angekündigt, Nutzern, die ihren Internetzugang anderen über WLAN frei zugänglich machen wollen, Rechtssicherheit zu verschaffen.
Doch von dem Versprechen ist nicht viel übrig geblieben. Laut den zuletzt bekannt gewordenen Plänen ist lediglich vorgesehen, Gewerbetreibende ausdrücklich von der Haftung auszunehmen. Der Café-Betreiber müsste sich also keine Sorgen mehr machen, der Freifunker schon. Darüber hinaus waren Prüfpflichten des WLAN-Anbieters vorgesehen, die Nutzer in ihrer Privatsphäre einschränken würden.
„Angesichts der erfreulichen Entwicklung der Rechtsprechung wäre es ein verheerender Rückschritt, nur Cafés und Hotels von der Haftung freizustellen und die Betreiber zur Identifizierung der Nutzerinnen und Nutzer zu zwingen“, sagt Alexander Sander, Geschäftsführer der Digitalen Gesellschaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen