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Gerichtsbeschluss zu Online-WahlhilfeWahl-O-Mat ist ungerecht

Der Wahl-O-Mat soll kleinere Parteien benachteiligen, das sagt das Verwaltungsgericht Köln. Gegen den Beschluss sind noch Rechtsmittel möglich.

Soll nicht fair für kleine Parteien sein: der Wahl-O-Mat Foto: dpa

Das Verwaltungsgericht Köln hat den Wahl-O-Mat zur Europawahl beanstandet, da er kleine Parteien benachteilige. Die Bundeszentrale für politische Bildung, die das Webangebot betreibt, müsse die Beschränkung auf acht Parteien aufgeben. Gegen den Beschluss sind noch Rechtsmittel möglich.

Der Wahl-O-Mat ist ein Internet-Angebot, das die Bürger vor einer Wahl über ihre Parteipräferenzen informiert. Wer teilnimmt, muss zu 38 Thesen Stellung nehmen, zum Beispiel „Die EU soll mehr Geld für Entwicklungshilfe bereitstellen“. Die persönlichen Antworten werden dann mit den Positionen von acht Parteien verglichen, die der Teilnehmer am Ende auswählt.

Die Partei Volt („paneuropäisch, pragmatisch und progressiv“) verlangte, dass alle 41 Parteien, die Positionen zur Verfügung gestellt haben, in die Auswertung einfließen. Bei einer Beschränkung auf acht Parteien bestehe die Gefahr, dass nur bereits bekannte Parteien verglichen werden.

Das sah nun auch das Verwaltungsgericht Köln so. Der Wahl-O-Mat verletzt in seiner derzeitigen Form das im Grundgesetz gewährleistete Recht auf Chancengleichheit der Parteien.

Die Bundeszentrale für politische Bildung, die zum Bundesinnenministerium gehört, hatte argumentiert, es handele sich nur um ein Informationsangebot, keine Wahlempfehlung. Außerdem sei eine technische Änderung nicht mehr so schnell möglich. Das sah das Gericht nun anders.

UPDATE 20.05.: Der Bundeszentrale für Politische Bildung ist im Wege der einstweiligien Anordnung angewiesen worden, den Wahlomat offline zu nehmen. Als Medienpartner hat auch die taz den Wahlomat heute von ihrer Website entfernt.

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12 Kommentare

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  • Ich habe auch stets mehrfach verglichen und festgestellt, dass man dafür NICHT alle Fragen noch einmal beantworten muss.



    Vielleicht reicht auch der Hinweis, wie man sich ein Browserfenster zurückklickt, wie 'Zwieblinger' es schon erwähnte.



    Ich hatte eigentlich eher den Eindruck, dass die kleinen Parteien durch den Wahl-o-mat auch eine Chance erhalten. Es gab diesmal schon einen Aha-Effekt, dass eine kleine Partei, die ich namentlich gar nicht kannte, am meisten Übereinstimmung mit meinen Antworten hatte.



    Ich denke, die Justiz hat hier vorschnell geurteilt und der guten Sache einen Bärendienst erwiesen.

  • Eine richtige Entscheidung für Demokratie!

    Defacto hat Wahl-O-Mat die Wahlen beeinflusst. Viele Zeitungen haben eine Verknüpfung zum Wahl-O-Mat online angeboten sowie für Wahlentscheidungen empfohlen. Als Wahlbeihilfe haben sich die Ergebnisse von diesem Online-Tool als eine Art „State oft he Art“ in der Bevölkerung etabliert. Profitiert haben davon die Großparteien (v.a. CDU/CU und SPD) am meisten. Und das war kontraproduktiv, um politisch Fortschritte zu erzielen, in der Zeit, wo die Mittelschicht schrumpft, immer mehr Millionen Menschen (momentan rd. 14) in die Armut abrutschen und Reche immer reicher werden. Dazu noch die CDU/CSU das Grundgesetz für sich und eigene Wähler konfiguriert, ohne dass das Volk ernsthaft darüber nachdenkt, warum das Grundgesetz in Deutschland überhaupt eingeführt wurde. Aus den Fehlern der Vergangenheit (30er und 40er Jahre muss man aber lernen!

    Je schwächer monopolistische Stellungen – in Wählerstimmen ausgedrückt – einzelnen Parteien sind, um so mehr strengen sich alle Parteien einschl. regierender an, eine Politik umzusetzen, die auf alle Menschen ausgerichtet ist und nicht nur auf bestimmte Bevölkerungsgruppen, die die eigene Partei wählen, sowie auf Lobbyisten mit hohen Mitgliedszahlen.

  • Und die Reihenfolge der Wahlzettel ist so aufgebaut, daß zuerst kommt, wer am meisten Stimmen bei der letzten Europawahl im jeweiligen Bundesland bekommen hat, da ist Volt nicht angetreten und dann alphabetisch von oben nach unten vorgegangen wird. V für Volt müsste also bei einem knapp 1 Meter langen Wahlzettel am Ende stehen. Wenn man den nicht voll aufklappt, sieht man die nicht.

    Ich hätte mir da weniger Gedanken über den Wahl-O-Mat gemacht...

  • Entschuldigung, aber ich kann die Argumentation von VOLT und Gericht sehr gut nachvollziehen. Acht Parteien wählen zu müssen ist nicht Fair. In meiner Familie wäre die Auswahl von zehn bis fünfzehn ausreichend gewesen, wobei wir die Einstellungen ander Parteien ja nicht kannten. Vielleicht wäre ja eine mir unbekannte Minipartei zu 100 Prozent auf meiner Linie? Who Knows?

  • Vielleicht es einfach wie beim CZ-Wahlomaten machen: Da beantwortet man zunächst die Fragen, legt Präferenzen und bekommt dann eine Reihenfolgenliste inwiefern die eigenen Präferenzen mit allen zur Wahl stehenden Parteien übereinstimmen. Wichtig ist unbedingt sich die Detailliste anzuschauen, oft kann es ein Punkt Nichtübereinstimmung sein, der eine Partei unwählbarer als eine andere macht, mit der man ansonsten weniger Übereinstimmung hat.

  • Darf man am Wahl-o-mat nur einmal drehen? Immerhin darf ich jedesmal 8 Parteien auswählen und nicht nur eine oder zwei alle 4 5 Jahre.

    • @Werner S:

      Man darf. Und man muss dazu die Fragen auch nicht erneut beantworten, zumindest solange man das Browserfenster nicht schließt, sondern wieder zurückklickt.



      Aber das machen eben nicht alle, sondern die meisten werten einmal oder vielleicht zweimal aus und das war's dann. Der Rest der Parteien fällt dann durch den Rost.

  • Außerdem sei eine technische Änderung nicht mehr so schnell möglich. Das sah das Gericht nun anders.

    ... selbst wenn es nicht stimmt, Juristen haben keine technischen Entscheidungen zu treffen. Dafür sind die in keinster Weise qualifiziert

    • @danny schneider:

      Aber Juristen können bewerten, ob das technische Argument es rechtfertigt, dass die Ungerechtigkeit bestehen bleibt, oder ob der Wahlomat wie jetzt geschehen dann eben abgeschaltet werden muss.

  • Wahrscheinlich wird man demnächst politische Bildung sowieso ganz verbieten müssen, denn nur dem unaufgeklärten Wähler kann man etwas verkaufen, was der mit Sicherheit nie haben wollte. Vorsicht Bürger! Politische Bildung ist total gefährlich und kann Spuren von Meinung enthalten, auf die einige Parteien sofort allergisch reagieren. Please don't try this at home!

    • @Rainer B.:

      Woher dieser Zynismus?



      Finden Sie es okay, das der Staat kleine Parteien ausgrenzt?



      Es wäre wirklich kein Problem gewesen, die Plattform mit allen Parteien zu füllen.

      Ich finde es obendrein heikel, dass der Staat auch selbst über die "relevanten" Fragen entscheidet.

      Aus diese Weise werden die wirklich unangenehmen Fragen, wie Korruption, Einfluss der Lobbyisten, und die soziale Frage ungestellt.

      Ob die EU nun mehr Entwicklungshilfe bereitstellen soll, ist zum Beispiel so ein ziemlich unwichtiges Detail.

      • @Sonntagssegler:

        Bei der Europawahl werden keine kleinen Parteien ausgegrenzt. Es gibt dort keine expliziten x%-Hürden.



        Der Wahl-O-Mat ist doch nur ein Angebot zur politischen Bildung, das Informationen zusammenfasst, die man sonst nur mit einem unverhältnismäßig großem Aufwand mühsam selbst zusammentragen müsste. Welche 8 Parteien man da zum Vergleich auswählt, bleibt jedem doch selbst überlassen und mehrere Durchläufe sind schließlich auch möglich. s.o. Das Abschalten des Wahl-O-Mat macht es für die Wähler weder einfacher eine rationale Auswahl aus 41 politischen Vereinigungen zu treffen, noch kann damit eine Chancengleichheit der Parteien irgendwie hergestellt bzw. wiederhergestellt werden.