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Gericht stärkt FußgängerDas Recht, den Gehweg zu benutzen

Das Bundesverwaltungsgericht gibt Bremer Fußgängern recht, die sich gegen zugeparkte Gehwege wehren. Auch andere Städte könnte das betreffen.

Was vom Gehweg übrig blieb: Zugeparkte Straße in NRW Foto: Kerstin Kokoska/Funke Foto Services/imago

Hamburg taz | Anwohner müssen sich in Zukunft nicht mehr damit abfinden, dass Bürgersteige so zugeparkt werden, dass für Fußgänger kaum mehr ein Durchkommen ist. Wie das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag letztinstanzlich entschieden hat, können sie von ihrer zuständigen Straßenverkehrsbehöre verlangen, dass sie gegen das illegale Parken auf Gehwegen vorgeht. Damit verbindet sich jedoch nicht unbedingt der Anspruch, dass die Behörde als erstes das Gehwegparken vor ihrer Haustür unterbindet.

Mit dem Urteil beschreitet das Bundesverwaltungsgericht wie schon die Vorinstanzen neue Wege. Denn die Straßenverkehrsordnung schützt vom Grundsatz her nur die Interessen der Allgemeinheit. Jetzt hat aber das Gericht das individuelle Recht der Anwohner anerkannt, den Gehweg vor ihrem Haus zu benutzen. „Die Anwohner haben Anspruch auf ein Einschreiten“, sagt Gerichtssprecher Kolja Naumann. „Das ist eine große Ausnahme im öffentlichen Recht.“

Das Parken auf Gehsteigen ist laut Straßenverkehrsordnung verboten, sofern es nicht durch Verkehrsschilder oder Markierungen erlaubt ist. Trotzdem wird es weithin geduldet. Fünf Bremer aus verschiedenen Stadtteilen wollten sich das nicht länger gefallen lassen. Sie forderten die Stadt, auf gegen die Falschparker vor ihrer Haustür einzuschreiten. Die Bremer Behörden lehnten ab: Schließlich sei ja noch ein Durchkommen. Das wollten sich die Anwohner nicht bieten lassen. 2019 klagten sie. 2022 bekamen sie zum ersten Mal recht.

Das Bundesverwaltungsgericht folgte nun dem Argument der Klägerseite, dass das Gehwegparkverbot in der Straßenverkehrsordnung nicht nur dazu diene, allgemein den Verkehr zu ordnen – es schütze auch diejenigen, die den Bürgersteig benutzten. Die konkret betroffenen Anwohner durften mit Blick auf den an ihrem Grundstück verlaufenden Gehsteig klagen.

Behörden dürfen priorisieren

Anders als das Bremer Verwaltungsgericht in der Vorinstanz räumt das Bundesverwaltungsgericht den Behörden aber einen Handlungsspielraum ein. Sie müssen nicht direkt gegen das Gehwegparken vor den Grundstücken der Kläger vorgehen, sondern können sich zunächst die Orte zuerst vornehmen, wo die Lage am brenzligsten ist.

„Da das unerlaubte Gehwegparken nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in der gesamten Stadt, insbesondere in den innerstädtischen Lagen weit verbreitet ist, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte zunächst die am stärksten belasteten Quartiere ermittelt, Straßen mit besonders geringer Restgehwegbreite priorisiert und ein entsprechendes Konzept für ein stadtweites Vorgehen umsetzt“, heißt es der Pressemitteilung des Gerichts.

Der Bremer Senat hat nach den ersten Urteilen im vergangenen Jahr bereits damit angefangen. „Das Gericht hat unser bereits begonnenes ganzheitliches, konzeptionelles Vorgehen bestätigt“, stellte Mobilitätssenatorin Özlem Ünsal (SPD) fest. Der Senat habe zunächst die am stärksten belasteten Quartiere ermittelt und sich die besonderes schmalen Straßen vorgenommen. Als oberstes Kriterium gab Ünsal 2023 aus, dass die Feuerwehr mit ihren schweren Löschfahrzeugen durchkommen müsse.

Der Fahrradclub ADFC mahnte an, dass es dabei nicht bleiben könne, sondern auch an die Verkehrssicherheit und Barrierefreiheit gedacht werden müsse. Fußgängern und Radfahrern bleibe an vielen Stellen nur das Ausweichen auf die Fahrbahn. Das sei gefährlich und koste überdies Zeit. Anlässlich des aktuellen Urteils forderte auch Ralph Saxe von der Grünen-Bürgerschaftsfrakton ein Konzept, das „deutlich mehr als die Herstellung der Rettungssicherheit in den Wohnstraßen der Quartiere“ enthalte.

Kommunen sollen Parkraum aktiv managen

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) erhofft sich von dem Urteil eine Signalwirkung für ganz Deutschland. Er fordert die Kommunen auf, die Straßenverkehrsordnung sofort durchzusetzen. „Es kann nicht sein, dass jahrzehntelanges Wegschauen die Au­to­fah­re­r*in­nen begünstigt, während viele andere Nachteile in Kauf nehmen müssen“, schreibt der Verband. Kommunen sollten das Urteil nutzen, um den Parkraum aktiv zu managen, um den Parkdruck zu verringern.

Tatsächlich stellt sich ja die Frage, wo die vielen Autos – auch die der Anwohner – Platz finden sollen, wenn etwa in engen Straßen nur noch auf einer Seite geparkt werden darf. Zugespitzt hatte das die Sprecherin der Bremer Innenbehörde nach dem ersten Urteil so formuliert: „Würde man die Entscheidung konsequent weiterdenken, würden wohl 50 Prozent der Au­to­be­sit­ze­r:in­nen in Bremen keinen Parkplatz mehr finden.“

Mobilitätssenatorin Ünsal prüft nun, ob sich in Stadtteilen mit viel Parksuchverkehr Quartiersgaragen einrichten lassen. Auch private und halböffentliche Parkplätze, etwa die von Supermärkten, kämen in Frage. Fürs Parken müsste dann aber bezahlt werden.

Andere Städte sind schon weiter. Karlsruhe ahndet seit 2019 illegales Parken auf dem Gehweg. Die Stadt hat ein Konzept für faires Parken entwickelt. Demnach darf auf dem Gehweg geparkt werden, sofern das entsprechend ausgewiesen ist. Voraussetzung ist, dass auf dem Bürgersteig 1,60 Meter Platz bleibt. Das sei das „absolute Minimum“. Auf der Fahrbahn müssten 3,10 Meter für Rettungsfahrzeuge frei bleiben.

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11 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • "Voraussetzung ist, dass auf dem Bürgersteig 1,60 Meter Platz bleibt. Das sei das „absolute Minimum“. Auf der Fahrbahn müssten 3,10 Meter für Rettungsfahrzeuge frei bleiben"



    Das klingt doch nach einer eindeutigen, leicht verständlich und nachprüfbaren Regel.

    • @Luftfahrer:

      Eindeutig und leicht verständlich - welcher Behördenmitarbeiter kann denn damit noch etwas anfangen ?

  • Sehr gut! Fußverkehr muss endlich als gleichberechtigt zum motorisierten Verkehr verstanden werden. Der öffentliche Raum gehört uns allen und als Fußgängerin möchte ich den Gehweg ohne Slalomlauf nutzen können. Es gibt keinen guten Grund, warum Autofahrenden/ -besitzenden mehr Raum als allen anderen Verkehrsteilnehmer:innen und vor allem Regelverstöße zugestanden werden. Ich hoffe, das setzt sich auch in anderen Kommunen durch.

  • Autos raus aus der Stadt!

  • allein die tatsache, dass diese debatte ueberhaupt gefuehrt wird, sollte alle aemter und behoerden aufschrecken, wie weit diese gesellschaft in der autoscheisse steckt.



    man stelle sich vor, fussgaenger machen ein picknick auf der fahrbahn - da wuerde direkt gleich ein wasserwerfer anrollen.



    absurder geht es nicht mehr.

  • Endlich.! Das ist ein ganz wichtiges Signal um endlich diese dumpfe Anarchie auf dt Strassen zu beenden. Bei der Menschen mit Rollstuhl oder Kinderwagen auf die Strasse oder den Grünstreifen gezwungen werden..durch die jedes Jahr etwa 100 Menschen sterben weil Sichtachsen zugeparkt sind.

    Das die Behörden hier bislang systematisch weg geschaut und geltendes Recht mißachtet haben, lässt schon tief blicken. Das alles ist eher auf dem Niveau von Drittweltstaaten, Respektlos den einfachen Menschen gegenüber..vor allem aber einem Land das sich als weit entwickelt erachtet zutiefst unwürdig..

    Es gibt kein Recht auf Auto und die damit verbundene Möglichkeit es auf Kosten Anderer abzustellen. Allerdings scheinen viele Autofreunde das anders zu sehen. Weswegen jetzt wohl ein neuer Vetteilungskampf bevor steht.

    Nun gut..es ist an der Zeit den öffentlichen Raum zurück zu erobern. Immerhin dürfte sich jetzt herum sprechen wie die Rechtslage genau aussieht.

    Machen wir den Kommunen ordentlich Dampf, damit die Städte wieder Luft zum atmen bekommen.

    (und übrigens: den guten alten Aufkleber:*Parket nicht auf unseren Wegen* gibt es noch (beim ADFC))..

    • @Wunderwelt:

      Respekt den einfachen Menschen gegenüber...



      Was ist mit denen, die sich am Wochenende erholen wollen/müssen und durch endlose Banden rasender und lärmender Motorradfahrer mehr genervt werden als bei der Arbeit?



      Verbände, Vereine, Initiativen und einzelne Krankgemachte kämpfen bei Politik und Behörden seit Jahrzehnten gegen Windmühlen - Respekt den Menschen gegenüber sowie Zum Wohle des Volkes liest sich schon lange wie ein romantisierende Schnulzenroman.

  • Gute Entscheidung, es geht doch gar nicht nur um Fußgänger*innen allgemein. Was ist mit Rollifahrern, Rollatorschieberinnen, Kinderwagenlenkern, Kleinkindern mit Laufrad oder Dreirad, Menschen mit Krücke oder Blindenstock usw. Oft genug sind Gehwege eh schon schlecht in Schuss und eng, wenn dann noch zugeparkt wird, kommt keiner mehr sicher durch.

  • "Fußgängern und Radfahrern bleibe an vielen Stellen nur das Ausweichen auf die Fahrbahn." Radfahrer gehören ja auch auf die Fahrbahn, nicht auf den Gehweg (daher auch Geh-Weg). Als Fußgänger musste ich allerdings schon des Öfteren Radfahrern auf dem Gehweg ausweichen, indem ich auf die Straße sprang.

    • @PeterArt:

      Kinder bis 8 Jahre müssen den Gehweg mit dem Fahrrad benutzen, bis 11 Jahre können sie es.Erwachsene / Eltern dürfen unter 8-Jährige auf dem Fahrrad auf dem Gehweg begleiten, siehe Para. 2 Abs. 5 StVO

      • @Au contraire:

        Ich habe nicht von Kindern geredet und Sie wissen das.