Gerangel um Gartenschau: Bürger sollen über Blumen entscheiden
Bad Iburg hat sich erfolgreich um die Landesgartenschau 2018 beworben – und will sie nun doch nicht ausrichten. Jetzt melden sich Befürworter zu Wort.
Die Planer der Landesgartenschau Bad Iburg haben der 11.500-Einwohner-Stadt vor den Toren Osnabrücks eine Schönheitskur verordnet. Sie wollen die Grünflächen und Parks schick machen, Wege erneuern, Bänke aufstellen – und einen Bach renaturieren. Die Landesregierung findet den Plan super und vergab die Landesgartenschau 2018 nach Bad Iburg.
Noch im März sah es so aus, als scheitere das Projekt trotzdem, denn der Stadtrat strich die ersten Mittel für die Landesgartenschau aus dem städtischen Haushaltsplan.Doch jetzt könnte alles wieder anders werden, denn es wird ein Bürgerbegehren für die Landesgartenschau geben.
Die grüne Bürgermeisterin Annette Niermann will das Projekt. Ihr Ziel ist es, die Stadt zu einem modernen Tourismus- und Gesundheitsstandort zu entwickeln. Für Niermann und andere Befürworter ist die Landesgartenschau also vor allem Vehikel, um besser an die Fördergelder zu kommen.
Ihr wichtigster Gegenspieler in der Stadt ist der CDU-Fraktionschef Ludwig Fischer. Er hat gemeinsam mit den Stimmen einiger Grünen im Rat den Geldhahn für das Projekt abgedreht. Er argumentiert mit der Haushaltslage. Die Stadt habe zu wenig Geld und zu viele Schulden für eine Landesgartenschau. „Schulen, Kitas, Krippe und die Infrastruktur haben absoluten Vorrang“, sagt Fischer. Wenn dann noch Geld übrig sei, solle die Stadt lieber Schulden abbauen.
Ein Bürgerbegehren ist der erste Schritt. Die Initiatoren müssen binnen sechs Monaten von zehn Prozent der Wahlberechtigten Unterschriften sammeln.
Ein Bürgerentscheid muss drei Monate nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren stattfinden. Das Begehren gilt als angenommen, wenn mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten es unterstützen und es eine Mehrheit dafür gibt.
In Niedersachsen dürfen Bürger nicht direkt über die kommunalen Hauhaltspläne abstimmen. Etwas kosten dürfen die Vorhaben, über die abgestimmt wird, aber. Dann müssen die Initiatoren erklären, wo sie das Geld hernehmen wollen. So ein Kostenplan wird geprüft, wird aber nicht automatisch wirksam, wenn der Entscheid eine Mehrheit bekommt.
SPD-Fraktionschef Hans-Josef Geesen hält dagegen: Es gebe keinen Konflikt bei den Investitionen – die seien ohnehin erst für die Zeit nach der Gartenschau eingeplant. Auch auf Seiten der Grünen gibt es Landesgartenschau-Gegner, die waren aber am Mittwoch für die taz nicht zu erreichen.
Die CDU-Fraktion wollte die offizielle Absage der Landesgartenschau bereits im Rat beschließen. Wegen des angekündigten Bürgerbegehrens hat sie das aber in letzter Minute von der Tagesordnung nehmen lassen.
Die Initiatoren des Bürgerbegehrens haben jetzt offiziell den Beschluss des Verwaltungsausschusses des Rats bekommen, dass ihr Bürgerbegehren zulässig ist – nach langem Hin und Her. Denn es war nicht so einfach, den gesetzlichen Anforderungen an ein Bürgerbegehren zu entsprechen (siehe Kasten).
Unter den Initiatoren ist ein Grüner – Klaus Rüther, der Mitglied des Kreisvorstands Osnabrücker Lands ist. Ihn ärgert, dass „sich die Politik nicht durchringen kann, den Beschluss, an der Landesgartenschau teilzunehmen, auch durchzuführen“. Schließlich habe es dafür mal eine Stadtratsmehrheit gegeben. Außerdem sei damals die Bürgermeister-Kandidatin gewählt worden, die sich für die Landesgartenschau ausgesprochen habe. Und nun werfe man ihr nur Knüppel zwischen die Beine. Jetzt sollen nach dem Willen von Rüther die Bürger entscheiden.
Er selbst befürwortet die Landesgartenschau, weil er hofft, dass der Kneippkur-Ort Bad Iburg so noch mal Aufmerksamkeit bekommen kann – auch angesichts der weiteren Bäder in der Umgebung. Außerdem hofft er auf wirtschaftliche Impulse für die lokale Wirtschaft.
Die Verwaltungsspitze der Stadt rechnet mit einem möglichen Entscheid zwischen Dezember 2015 und April 2016. Auch dann ließe sich die Landesgartenschau noch stemmen – nur mit weniger formalen Schritten, sagt Christian Kammlage von der Stadtverwaltung. Zeit für einen Architektenwettbewerb gebe es dann nicht mehr. „Das wäre planerisch nicht so schön“, sagt er.
Der kommunale Grünen-Fraktionschef, Daniel Schneider, versucht gelassen zu sein. Er selbst ist Befürworter, versteht aber auch die Gegner. Es sei eine Abwägungsfrage mit guten Argumenten auf beiden Seiten.
Die Grünen im Ortsverband haben ein gemeinsames Positionspapier zur Landesgartenschau entwickelt – in der sich alle Mitglieder wiederfinden. Demnach soll die Landesgartenschau unter anderem finanzierbar und nachhaltig sein. Doch was das nun praktisch bedeutet, bleibt umstritten. „Es gibt unterschiedliche Interpretationen“, sagt Grünen-Vorstand Manfred Tobergte.
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