Geopolitik und Waffendeals: Indien und Russland wollen wieder enger zusammenwachsen
Beim zweitägigen Besuch von Putin bei Modi soll eine alte Freundschaft wiederbelebt werden. Das ist auch ein trotziges Signal an Washington.
Selfie im Auto, Umarmungen und Händeschütteln: Die Bilder des indischen Regierungschefs Narendra Modi mit Russlands Präsident Wladimir Putin sollen die „Bromance“ zwischen den beiden Machtmännern unterstreichen. Bei Putins erstem Indien-Besuch seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine 2022 wird eine alte Freundschaft beschworen.
Modi erklärte, die Welt habe seit der Pandemie zahlreiche Krisen erlebt, und äußerte die Hoffnung, dass globale Herausforderungen bald bewältigt würden. Der 75-jährige hindunationalistische Politiker warb zugleich für engere Wirtschaftsbeziehungen und neue gemeinsame Erfolge mit Russland.
Putin wiederum lobte Modi für dessen Engagement im Ukraine-Konflikt, der sagte, Indien stehe „auf der Seite des Friedens“. „Die Beziehungen zwischen unseren Ländern beruhen auf starken historischen Bindungen“. Dabei seien es sind nicht die Worte, die zählen, sondern die Substanz, so der Kremlchef. Er schmeichelte am Donnerstag bereits, dass Indien eine Großmacht ist, und eben keine britische Kolonie mehr.
Bei der öffentlichen Erklärung am Freitag in Delhi betonte Modi erneut die „besondere und privilegierte strategische Partnerschaft“ mit Moskau. Diese sei „wie ein Nordstern“, den Putin seit 25 Jahren mitgeprägt habe. Beide Seiten kündigten einen Wirtschaftsfahrplan bis 2030 an. Damit sollen Hürden bei Handel, Investitionen und Technologietransfers abgebaut werden, das Handelsvolumen steigen und ein rascher Abschluss eines Freihandelsabkommens mit der Eurasischen Wirtschaftsunion folgen. Indien hofft dabei, den stark zu Russlands Gunsten verzerrten Handel „diversifiziert, ausbalanciert und nachhaltiger“ zu gestalten.
Es geht auch um den BRICS-Vorsitz 2026
Dabei hat Delhi klare Vorstellungen. Das Land hat eine ernste Versorgungslücke von geschätzt fünf Millionen Tonnen Harnstoff: Auf dem Land stehen Menschen teils bis zur Erschöpfung für den Stickstoffdünger an. Nun soll die russische Uralchem-Gruppe ein Urea-Werk in Indien eröffnen. Im russischen Kaluga ist dagegen ein indisches Pharmawerk geplant.
Putin positioniert unterdessen Russland und Indien als Architekten einer multipolaren Weltordnung. In dieser Neuausrichtung machen beide Führungsansprüche geltend. Russland betont, es unterstützte Indiens BRICS-Vorsitz 2026. Auch der Handel in nationalen Währungen schreitet weiter voran.
Zentral bleibt die militärtechnische Zusammenarbeit. Indische Seeleute sollen gemeinsam ausgebildet, eine Kooperation im Schiffbau folgen, der Ausbau des südindischen Kernkraftwerks Kudankulam stehen auf der Agenda und die Zusammenarbeit im Weltraum. Auch die Logistik soll vertieft werden: Der internationale Nord-Süd-Korridor INSTC, die nördliche Seeroute entlang Russlands Arktisküste, sowie der maritime Korridor Chennai–Wladiwostok sollen die Abhängigkeit von westlich dominierten Schiffsrouten verringern.
Im Bereich der Rüstung stehen ebenfalls Projekte im Raum. Indien zeigte Interesse am neuen Raketenabwehrsystem S-500, Medien berichten über mögliche Su-57-Jets-Lieferungen und einen möglichen U-Boot-Deal. Das Außenministerium bestätigte jedenfalls gemeinsame „Made-in-India-Initiativen“ im Rüstungsbereich.
Ölimporte aus Russland sinken
Als Signal der Annäherung ist auch der Start des russischen Staatssenders RT in Delhi zu werten. Zudem soll es für russische Staatsbürger Visa-Erleichterungen geben. Indische Fachkräfte sind auch in Russland gefragt. Gleichzeitig sanken Indiens Ölimporte aus Russland im Oktober 2025 um 38 Prozent.
Trotz dieser Niederlage für Moskau sehen Experten wie der New Yorker Analyst Douglas Herbert den Besuch als „eine deutliche Botschaft“ an Europa und die USA. Putin signalisiere, er sei nicht isoliert. In Indien wird der Besuch eines „zuverlässigen Freundes und strategischen Verbündeten“ weitgehend wohlwollend aufgenommen. Und Modi kann nach dem Bruch mit Donald Trump wieder einen „Freund“ in Delhi hofieren.
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