Gentrifizierung: Krach von allen Seiten
Der Real-Markt in der ehemaligen Rindermarkthalle am Neuen Kamp schließt Ende Mai. Aber was passiert dann mit dem riesigen Areal? Der Bezirk wünscht sich eine Musikhalle, die Anwohner fürchten noch mehr lärmende Besucher.
In St. Pauli ist es eng und Baugrundstücke sind absolute Mangelware. Kein Wunder also, dass an einem der letzten Sahnestücke in städtischem Besitz offenbar nicht nur die St. Pauli Music Hall GmbH interessiert ist. Die will in die ehemalige Rindermarkthalle auf dem Areal am Neuen Kamp unter anderem eine Musikhalle für bis zu 4.000 Besucher bauen.
Aus gut unterrichteten Kreisen heißt es nun, die St. Pauli Music Hall GmbH bekomme finanzstarke Konkurrenz, die darauf setze, dass der Senat das Projekt "Rindermarkthalle" und die Entscheidung über Musikhalle und kommerzielle Nutzung des Geländes an sich zieht. Während die Finanzbehörde an einer wirtschaftlichen Entwicklung des Areals interessiert sein dürfte, hat der Bezirk eine Machbarkeitsstudie vorgelegt, in der ein Nutzungs- und Musikhallenkonzept zur Diskussion gestellt wird. "Ergebnisoffen" wolle man beraten, wie Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) betont.
Vergangene Woche hatte der Bezirk Mitte die Anwohner zur ersten öffentlichen Anhörung eingeladen. Aber die Gegner waren nicht zum Diskutieren, sondern zum lautstarken Protest gekommen. Die Diskussion wurde abgebrochen. Künftig müsse man sich "ordentlich anmelden" und den Personalausweis mitbringen, sagte GAL-Politiker Michael Osterburg. So solle verhindert werden, dass die Diskussion ein weiteres Mal gesprengt werde: "Die Leute, die mit uns diskutieren wollen, sollen das auch können."
Carolina Kuhlmann ist eine der Gegnerinnen und glaubt nicht an das Beteiligungsverfahren. Der Bezirk betone Ergebnisoffenheit, dabei sei in der Machbarkeitsstudie bereits alles weitgehend festgeklopft, sagt Kuhlmann. Mit der Musikhalle werde "eine in den Stadtteil und das von Musikclubs und Kneipen geprägte Umfeld passende, mögliche Nutzungsergänzung vorgeschlagen", heißt es dort. Anders als beim Wasserturm werde "auf eine rein an wirtschaftlichen Kriterien ausgerichtete Folgenutzung verzichtet". Die Verwertung der Grundstücke müsse aber "den wirtschaftlichen Anforderungen an die Veräußerung städtischen Grundvermögens in angemessenem Umfang Rechnung tragen." Unter diesen Umständen sei die Beteiligung eine Farce, sagt Kuhlmann. "Wir wollen das Verfahren stoppen und verhindern, dass es heißt, unsere Wünsche und Bedürfnisse seien berücksichtigt worden."
Susanne Dombek lebt seit 19 Jahren in St. Pauli und auch sie ist gegen eine Musikhalle. "Wir sind hier durch Events wie den Dom und die FC St. Pauli-Spiele schon genug belastet", sagt sie. Statt die Kommerzialisierung voranzutreiben, möchte sie Sportplätze, kleinere Handwerksbetriebe und Einkaufsmöglichkeiten.
Ende Mai öffnet der Real-Markt zum letzten Mal und Ende Mai läuft nach 26 Jahren der Mietvertrag für die Mevlana-Moschee im oberen Stockwerk aus. "Wenn diese Moschee schließt, nimmt man tausenden gläubigen Muslimen ihre Begegnungsstätte", sagt Mehmet Cologlu. "Diese Moschee ist politisch unabhängig und eine kulturelle Begegnungsstätte, nicht nur für türkische Anwohner." Innerhalb einer Woche seien 1.200 Unterschriften für ihren Erhalt gesammelt worden, diese habe man dem Bezirksamtsleiter überreicht. "Herr Schreiber wollte mit der Finanzbehörde sprechen und versuchen, dass die Moschee einen Mietvertrag mit der Sprinkenhof AG bekommt", sagt Cologlu. "Unsere Hoffnung ist, dass die Moschee noch mindestens zwei Jahre bleibt."
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