Stadtentwicklung: Zukunftsmusik auf St. Pauli
Im Mai schließt der Real-Markt am Heiligengeistfeld. Der Bezirk favorisiert dort eine neue Musikhalle. Doch die Planungen verlaufen schleppend.
Über ein Jahr ist es her, dass der Discounter Real ankündigte, die Hamburger Filiale zwischen Feldstraße und Pferdemarkt aufzugeben. Sogleich wurden neue Pläne für das Gelände des ehemaligen Zentralviehmarkts ventiliert, eins der letzten Sahnestücke in städtischem Besitz. Ein Rockpalast solle her, befand das Bezirksamt Mitte und beschloss mit den Stimmen von SPD und GAL, 50.000 Euro für einen städtebaulichen Ideenwettbewerb locker zu machen.
Geschehen ist seither - so gut wie nichts. Nur eins kann als sicher gelten: Der Supermarkt, sagt Real-Sprecher Markus Jablonski, werde am 31. Mai seine Tore für immer schließen, sieben Monate bevor der Vertrag mit der Stadt am 31. 12. 2010 ausläuft. Ein Discounter als Nachfolger, so Jablonski, habe sich für den Markt nicht finden lassen.
Viel Zeit bleibt der Stadt also nicht, könnte man meinen, will sie es vermeiden, dass die Halle vorübergehend leer steht. Tatsächlich bedauert eine Sprecherin des Bezirksamts auch, dass die Planung des Ideenwettbewerbs "zeitlich nicht so geklappt hat". Jetzt liefen aber die Vorbereitungen, und Ende Frühjahr solle dann ein "kooperatives Gutachterverfahren" mit Workshop-Elementen und Bürgerbeteiligung initiiert werden. Mit Ergebnissen dieses Prozesses rechnet das Bezirksamt noch im Sommer.
Ausgerichtet ist das Gutachterverfahren auf eine Musikhalle mit einem Volumen von etwa 4.000 Plätzen. Nicht nur Konzertveranstalter fordern schon länger eine Halle, die in der Größenordnung zwischen Docks (1.500 Plätze) und Alsterdorfer Sporthalle (7.000 Plätze) liegt. Auch im schwarz-grünen Koalitionsvertrag wünschten sich die Regierungspartner eine Halle mittlerer Größe für Rock- und Popmusik. Auf dem Real-Markt-Gelände, glaubt der Bezirk, würde die Halle den Live-Musik-Standort St. Pauli festigen und sinnvoll ergänzen.
Um die Halle ins Quartier einzubinden, visiert der Bezirk zusätzliche kleinteilige Nutzungen an. So könnten auf dem Gelände neben Einzelhandel, Gewerbe, Gastronomie und Büroflächen für die "Kreativ"- und Musikwirtschaft auch gemeinnützige und kulturelle Einrichtungen entstehen.
Problematisch für die Planungen wird allerdings sein, dass der Bau unter Denkmalschutz steht. Als ehemaliger Zentralviehmarkt verfügt die Halle über eine außergewöhnliche Dachkonstruktion, die auf vier gewaltigen Pfeilern ruht. Die Klinkerfassade wiederum ist mit großflächigen Reliefs ausgestaltet, von denen allerdings ein Großteil durch Dämmmaterial den Blicken entzogen ist.
Und zu guter Letzt ist da noch die Finanzbehörde, die an einer wirtschaftlich rentablen Entwicklung des Geländes interessiert sein dürfte. Dort hieß es, konkrete Planungen gebe es noch nicht, zur Musikhalle könne man noch nichts sagen. Wer weiß, vielleicht hat die Finanzbehörde ja schon einen Großinvestor, womöglich sogar einen Global Player an der Angel. Einen, der auf dem heißen Pflaster von St. Pauli, mit Blick ins Millerntorstadion - angesagter gehts nimmer - statt einer Konzerthalle seine weltoffene Konzernfiliale errichten will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht