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Gentrifizierung und PolizeigewaltBerlin bleibt dreckig

Polizeiwache am Kotti, Disney-Architektur am Hermannplatz: die neue Koalition will Berlin aufpolieren. Doch zum Glück gibt es Widerstand.

Scheißen auf Großprojekte: Spatzen am Hermannplatz Foto: dpa

W er einen Blick auf Berlins Zukunft erhaschen will, sollte Bauzäunen mehr Beachtung schenken. Pflastert ein Immobilienunternehmen mal wieder eine der letzten Brachen der Stadt mit Stahl und Beton zu, lässt es sich es meist nicht nehmen, als Vorgeschmack eine computeranimierte Visualisierung des fertigen Gebäudes an den Zaun zu hängen.

In den Computeranimationen versuchen die Immobilien- ent­wick­le­r*in­nen, ihre Idealvorstellung von städtischem Leben zu visualisieren: makellos glänzende Glasfassaden, saftiges, aber keineswegs unkontrolliertes Grün, das von Balkonen und Dachterrassen sprießt. Auf den Parkplätzen laden verheißungsvoll Tesla-Autos. Menschen gibt es auch, meistens gekleidet wie in einem Steuerbüro, genauso makellos sauber wie die Glasfassade und fast immer Weiß.

Besonders unter Franziska Giffey, die in der letzten Wahl mit dem Versprechen von „Sauberkeit und Sicherheit“ ihre Partei zum Sieg führte, scheint es sich die Berliner SPD zur Aufgabe gemacht zu haben, ganz Berlin in eine Bauzaun-Grafik zu verwandeln.

Law & Sauberkeit

So bedeutet „Sicherheit“ vor allem, unerwünschte Gruppen wie bettelnde Obdachlose, Dro­gen­nut­ze­r*in­nen oder herumhängende Jugendliche mit erhöhter Polizeipräsenz zu verdrängen. Dieser Logik folgend, plant die Koalition die Errichtung einer Polizeiwache und Videoüberwachung am Kottbusser Tor. Bereits jetzt gibt es sieben „kriminalitätsbelastete Orte“ (KbO) in Berlin, an denen die Polizei verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen darf.

tazplan

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Das Bündnis „Ihr seid keine Sicherheit!“ kritisiert, KbO würden soziale Probleme nicht lösen, sondern nur verschärfen. Menschen, die aufgrund ihres Aussehens in das Profil der Polizei passten, liefen ständig Gefahr, erniedrigenden Polizeikontrollen ausgesetzt zu sein. Daher ruft das Bündnis zu einem Aktionswochenende für die Abschaffung kriminalitätsbelasteter Orte auf. Die Ak­tivis­t*in­nen haben ein umfangreiches Programm aus Workshops, Vorträgen, Küche für Alle, Musik und Perfomances zusammengestellt. Als Abschluss findet am Sonntag eine Demo gegen die Polizeiwache am Kotti statt. (Freitag bis Sonntag, 1.-3. April. Auftakt am Freitag, Panoramastraße 1, 10178. Detailliertes Programm Online.)

Der Abriss funktionaler Gebäude, die nicht „schön“ genug für maximale Profitverwertung sind, ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Ästhetik der Bauzaun-Grafiken. So wie in der Habersaathstraße 41-48, wo ein gut erhaltener Plattenbau schicken Eigentumswohnungen weichen soll – zumindest, wenn es nach dem Willen des Eigentümers geht. Die verbliebenen Mie­te­r*in­nen wehren sich schon seit Jahren gegen den spekulativen Leerstand im Gebäude und die Pläne des Eigentümers, das Haus abzureißen. Am Freitag veranstaltet die im Umfeld des Hauses aktive Initiative Leerstand-hab-ich-Saath einen „Stadtpolitischen Spaziergang gegen Instandhaltungsrückstau und Abriss“ (Freitag, 1. April, Habersaathstraße 48, 17 Uhr)

Hermannplatz im Fokus

Ähnlich geht der österreichische Immobilienriese Signa in Neukölln vor. Der Karstadt-Eigner möchte gerne die Filiale am Hermannplatz durch einen Neubau mit historischer Fassade erweitern. Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte das Projekt zuletzt entgegen aller Versprechen von Bür­ge­r*in­nen­be­tei­li­gung durchgeprügelt. Die SPD hofft, dadurch den als schmuddelig geltenden Hermannplatz aufwerten zu können.

Geg­ne­r*in­nen des Projekts warnen schon seit Jahren, dass diese Aufwertung vor allem die Verdrängung ärmerer und unerwünschter Bevölkerungsgruppen bedeute. Die Kiezversammlung 44 veranstaltet daher am Samstag eine Kundgebung gegen Verdrängung, Mietenwahnsinn und Rassismus mit dem Titel: „Giffey, Geisel & Co. auf den Mond schicken!“ (Samstag, 2. April, Hermannplatz, 14 Uhr)

Dass Berlin in weiten Teilen immer noch eine vielfältige, bunte und zum Glück nicht allzu saubere Stadt geblieben ist, ist auch der starken stadtpolitischen Bewegung zu verdanken, die sich unermüdlich gegen Verdrängung und für den Erhalt von Freiräumen einsetzt. Zum Ende der diesjährigen Housing-Action-Week veranstalten die Ak­ti­vis­t*in­nen von Deutsche Wohnen Enteignen eine Kundgebung am Ostkreuz unter dem Motto „Friedrichshain hat Eigenbedarf!“. Neben Redebeiträgen gibt es auch Live-Musik und DJs. (Samstag, 2. April, Annemirl-Bauer-Platz, 15 Uhr)

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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6 Kommentare

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  • Bitte besser recherchieren, statt Vor-Urteile wie die folgenden zu verbreiten:



    "So bedeutet „Sicherheit“ vor allem, unerwünschte Gruppen wie bettelnde Obdachlose, Dro­gen­nut­ze­r*in­nen oder herumhängende Jugendliche mit erhöhter Polizeipräsenz zu verdrängen."



    Tatsächlich besteht die Kriminalität am Kottbusser Tor laut Statistik vor allem aus Taschendieben, Raubstraftaten und Körperverletzung. Alles Taten, die ich persönlich nicht schätze und zu deren Eindämmung ich Polizeipräsenz durchaus bejahe. Und viele AnwohnerInnen am Kotti wohl auch.

  • Hm, ob das bisherige Karstadt-Gebäude wirklich eine Art "Freiraum" darstellt? Ich sehe da nur ein Stück in die Jahre gekommene Investorenarchitektur im Besitz eines Konzerns, der eventuell durch etwas anspruchsvollere Investorenarchitektur ersetzt werden soll. Und da damit das Angebot an Büro- und Einzelhandelsflächen deutlich steigt, dürfte durch ein entstehendes Überangebot kaum ein Gewerbetreibender bedroht werden. Übrigens dürften viele Gewerbebetriebe rund um den Hermannplatz - Imbisse, Cafés, kleine Läden - durchaus von zahlungskräftigen Büronutzern profitieren.

    • @ausrufezeichen:

      Nun kommen Sie den zugezogenen Dreck-Romantikern doch nicht mit Fakten und Logik. Am Ende sehen die noch ein, dass es, genau wie in Prenzlauer Berg und Kreuzberg, gerade sie sind, die die Gentrifizierung antreiben. Denn wenn Dreck cool ist, wollen bald mehr coole Leute dort wohnen, wo es dreckig ist und die Leute so cool sind, dass sie Dreck cool finden.

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    "Nicht allzu saubere Stadt" ist wohl ein Euphemismus sondergleichen. Berlin ist die heruntergekommenste Stadt, die ich je erlebt habe. Alle Berlin-Besucher, die nach ihrer Ankunft S- oder U-Bahn besteigen erleben erst einmal einen Kulturschock.

    Und was ist eigentlich so toll an der Drogenszene? Die stinkenden Treppenhäuser die Drogenkonsumenten hinterlassen? Die Tatsache, dass man in manchen Gegenden zuverlässig von Dealern angequatscht wird? Die Finanzierung krimineller Organisationen?

    Der Kotti ist nunmal eine Party-Gegend, die viele Touristen anzieht. Wenn diese dort ausgeraubt werden, sollten sie zumindest eine Möglichkeit haben, sich an die Polizei zu wenden. Ich denke der Autor würde es in London oder Paris auch schätzen, wenn er eine polizeiliche Anlaufstelle hat, nachdem er um Geld und Papiere erleichtert wurde. Die Polizei steht übrigens auch Opfern sexueller oder rassistischer Übergriffe zur Verfügung.

  • Die Vermüllung nimmt leider immer weiter zu.

    Tut mir leid, möchte das nicht.

    Ich wohne in einem Randbezirk.

    Wenn Besuch von weiter weg kommt, sammle ich manchmal den Müll vor dem Haus und auf der Straße auf, weil ich mich schäme.

    Wenn der Autor mal Kinder hat, wird er es anders sehen.

    Niemand wünscht sich, dass die eigenen Kinder im Müll und Dreck spielen.

    Nicht mal für billige Mieten.

    Beides muss nicht Hand in Hand gehen.

  • In Prenzlauer Berg haben Grafitti und Müll in den letzten Jahren extrem zugenommen, hier wird Berlin jedenfalls immer dreckiger.

    Ändert nicht das geringste an den Mietsteigerungen. In der Senefelderstraße werden jetzt 160qm für 2,3 Mio Kaufpreis gebaut. Gegen Verdrängung hilft Dreck also nicht. Umgekehrt gibt es sehr wohl saubere Städte ohne Verdrängung - siehe Wien.

    Warum dann nicht gleich ohne den visuellen Müll Grafitti und die ganze andere Umweltverschmutzung?