Gentechnik: "100-Prozent-Garantie gibt es nicht"
Schon heute können Gen-Spuren im Essen stecken, sagt Michael Warburg vom Unilever. Das von der Regierung neu geplante Label "Ohne Gentechnik" lehne der Konzern ab.
Herr Warburg, wird auf Ihrer Margarine bald ein Label "ohne Gentechnik" prangen?
Die Regierung will die Kennzeichnung von Lebensmitteln "ohne Gentechnik" neu regeln. Fleisch oder Milch sollen künftig als gentechnikfrei gelten, wenn im Trog der Tiere kein genverändertes Futter landet. Genveränderte Zusatzstoffe wie Vitamine dürfen nur zugesetzt werden, wenn sie anderweitig weltweit nicht zu bekommen sind. Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) will die Verordnung dazu im Herbst vorlegen. Die Industrie kann das Label nutzen, muss es aber nicht. Verbraucher sollen sich jedenfalls für oder gegen Gentechnik entscheiden können. Hintergrund: In diesen Tagen wird das Kabinett ein neues Gentechnikgesetz verabschieden, das Genpflanzen auf dem Acker fördern soll. Zwischen Genmais und herkömmlichen Pflanzen wird ein Sicherheitsabstand von 150 Metern eingeführt; der zu Ökomais soll doppelt so groß sein. Bauern können diese Abstände jedoch umgehen, wenn sie - nach genauen Regeln - private Absprachen treffen. Umweltschützer kritisieren diesen Passus besonders. Sie fordern, auf Genpflanzen zu verzichten, da diese sich unbemerkt ausbreiten könnten. Der Bauernverband rät Mitgliedern auch von Genmais ab, aber aus anderem Grund: Ihm sind die neuen Vorschriften zu strikt. Nach dem Kabinett beraten Bundesrat und Bundestag. HG
Michael Warburg: Nein, wir werden das Label, nicht nutzen. Das heißt: Die Neuerungen, die die Regierung mit dem Gentechnikgesetz plant, ändern für uns nichts. Denn diese Regelung wird es nur in Deutschland geben. Wir verkaufen unsere Produkte aber weltweit. Es wäre für uns viel zu aufwendig jede nationale Kennzeichnung zu berücksichtigen.
Aber Sie drucken doch extra Etiketten - in deutscher Sprache. Da wäre "Ohne Gentechnik" kein Qualitätsmerkmal, mit dem sich werben lässt?
Wir brauchten doch bisher auch keine spezielle Auslobung. Dabei produzieren wir unsere Waren schon immer ohne Gentechnik. Das garantieren wir auch unseren Abnehmern.
In Margarine steckt aber Soja. Und das meiste Importsoja ist gentechnisch verändert. Wie kontrollieren Sie Ihr Angebot?
Gentechnik ist bis zum Grenzwert von 0,9 Prozent nicht kennzeichnungspflichtig. Daran orientieren wir uns. Und wir haben dafür ein aufwendiges Kontroll- und Zertifizierungssystem. Zunächst wird das Saatgut kontrolliert, dann die geerntete Sojabohne, später das gewonnene Öl und das Endprodukt. Das machen akkreditierte Prüfer. Bis eine Margarine auf den Markt kommt, ist ein Aktenordner voll mit Zertifikaten.
Gentechnik-Spuren können in Cornflakes oder Schokolade aber drin sein?
Die 100-Prozent-Garantie gibt es nicht. Weltweit können Spuren von Gentechnik vorhanden sein. Sie können auch keine Pannen ausschließen - wenn wie vor knapp einem Jahr Genreis unter herkömmliche Produkte gemischt wird.
Welches Risiko birgt die Gentechnik?
Keins, aber die Verbraucher wollen sie nicht. Noch fehlen die Produkte, die den Kunden von den Vorteilen überzeugen.
Sie meinen, die Verbraucher würden zugreifen, wenn Genfood zum Beispiel billiger ist als herkömmliche Lebensmittel?
Das ist gut möglich. Die Abneigung kippt sicher auch, wenn durch Gentechnik der Fettgehalt von Lebensmitteln gedrosselt werden kann. Große Untersuchungen gibt es zu diesem Thema allerdings noch nicht.
Entwickeln Sie denn solche Lebensmittel?
Wir forschen nicht daran. Die Lebensmittelindustrie hat diese Möglichkeiten nicht. An der Entwicklung von Genfood arbeiten vor allem Saatgutfirmen wie Monsanto.
Werden Sie Rohstoffe aus anderen Ländern als Deutschland beziehen, wenn die Gentechnik hierzulande öfter auf den Acker kommt?
Wir erwarten keinen Schub für die Gentechnik hierzulande - auch nicht durch das neue Gentechnikgesetz. Zudem kaufen wir generell weltweit ein. In Deutschland wird zum Beispiel gar nicht genug Raps für unsere Margarine angebaut. Die Bauern machen daraus mittlerweile Biodiesel und Energie. Wir beziehen Raps etwa aus Kanada.
Ausgerechnet aus Kanada, wo der Genraps in großem Stil angebaut wird und sich unkontrolliert ausbreitet?
Wir haben bisher kein Problem damit. Fänden unsere Tester Verunreinigungen, würden wir Konsequenzen ziehen. Langnese zum Beispiel bezieht heute keinen Honig mehr aus Kanada, seit 1995 einmal Genpollen in dem Produkt aufgetaucht sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt