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Genozid an ArmeniernTürkisches Beileid nach 100 Jahren

Zwischen 1915 und 1917 wurde im Osmanischen Reich ein Massenmord an Armeniern verübt. Jetzt drückt Premier Erdogan den Nachkommen sein Beileid aus.

Ministerpräsident Erdogan streckt überraschend die Hand Richtung Armenier aus. Bild: reuters

ANKARA afp | In ungewohnt offener Form hat der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan den Nachkommen der zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Osmanischen Reich getöteten Armenier das Beileid seines Landes übermittelt.

In einer Erklärung wandte er sich am Mittwoch an „die Enkel der 1915 getöteten Armenier“. Während Armenien ebenso wie viele andere Länder die Deportationen und Massaker an der armenischen Minderheit in den Jahren 1915 bis 1917 als gezielten Völkermord der damals regierenden Jungtürkenbewegung betrachtet, lehnt die Türkei den Begriff des Genozids für die Ereignisse ab.

Bereits Mitte Dezember hatte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu bei einem Besuch in der armenischen Hauptstadt Erewan die Deportationen als „Fehler“ und „unmenschlich“ bezeichnet. Er sprach sich für eine Versöhnung beider Länder auf der Grundlage einer „gerechten Erinnerung“ aus.

Im Jahr 2009 hatten Ankara und Erewan ein Versöhnungsabkommen unterzeichnet, doch scheiterte die Annäherung binnen sechs Monaten, wobei beide Seiten einander vorwarfen, neue Forderungen zu stellen. Weitere Bemühungen zur Normalisierung der Beziehungen liegen seitdem auf Eis.

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3 Kommentare

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  • Das Thema des Genozids ist außer bei Türken bei niemandem sonst "höchst" umstritten. Mal abgesehen davon, gibt es mittlerweile mehr türkische Historiker die von einem Völkermord sprechen und ihn anerkennen, als das es internationale Historiker gibt die ihn leugnen (von denen die Mehrheit zudem nachweislich von der Türkei bezahlt wird, z.b. für türkische Lehrstühle an Universitäten arbeiten etc.). Schon das spricht für sich.

     

    Und dieser gern gebrachte Weltwoche-Artikel von dem ebenfalls für seine Leugner-Position bekannten Norman Stone wird von Türken immer gern selektiv aus dem Kontext herauszupicken und als vermeintliches "Argument" gebracht.

     

    Der Weltwoche-Artikel ist ein Teil einer Konversation die auf Weltwoche zwischen ihm und dem Schweizer Historiker Hans-Lukas Kieser stattfand.

     

    Die Artikel sind AUSSCHLIEßLICH ALS GANZES in folgender Reihenfolge zu lesen, wer was anderes tut ist an der Wahrheit nicht interessiert!

     

    1. Hans-Lukas Kieser "Die armenische Tragödie ":

    http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2006-42/artikel-2006-42-die-armenische-t.html

     

    2. Dann Norman Stone

     

    3. Hans-Lukas Kieser "Kern der Sache":

    http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2006-44/artikel-2006-44-kern-der-sache.html

     

    P.S.: Der Völkermord-Leugnende Weltwoche-Artikel von Norman Stone ist sogar Teil seines Wikipedia-Artikels.

  • @ ZWARMI

    Die Vorbereitungen des Genozids an den Armeniern begannen schon weit vor dem ersten Weltkrieg. Das "Jungtürkische Komitee für Einheit und Fortschritt" hatte die ethnische Säuberung des Osmanischen Reichs von den Armeniern längst beschlossen. Die Umsetzung wird aber historisch mit dem Deportationsgesetz vom 27. Mai 1915 datiert. Die Armenier wurden entwaffnet, enteignet und deportiert. Entschädigungen gab es nicht. Wer nicht gleich ermordet wurde verschwand zum Teil in Arbeitsbatallionen, wo batallionsweise hingerichtet wurde, oder wurde chancenlos auf Todesmärsche durch unwegsames Gebirge Richtung Aleppo geschickt. Mit Umsiedlung hatte das rein gar nichts zu tun. Es ging auch nach Aussage von Talaat Bej, dem damaligen Innenminister darum, "die Armenier zu vernichten". Umstritten ist das alles keineswegs, nur weicht die heutige offizielle türkische Darstellung erheblich geschichtsverfälschend davon ab.

    Selbst General Mehmet Vehib Kaçı, Oberkommandierender der 3. Armee erklärte nach dem Krieg:

    „Die Deportationen der Armenier wurden im völligen Widerspruch zur Menschlichkeit, Zivilisation und behördlichen Ehre durchgeführt. Die Massaker und die Ausrottung der Armenier, der Raub und die Plünderung ihres Eigentums waren das Resultat von Entscheidungen, die vom Zentralkomitee des Komitees für Einheit und Fortschritt ausgingen."

  • Das mit dem Genozid ist ein höchst umstrittenes Thema:

    http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2006-43/artikel-2006-43-es-war-kein-voel.html

    Das Osmanische Reich war in den Kriegswirren am zerfallen. Die Allierten mit Hoheit Englands, das seinen Einfluss im Osmanengebiet längst geltend gemacht hatte, zerschlugen nach und nach das Osmanische Reich (auch aus Wirtschaftinteressen heraus, der Raum, wo es aktuell wieder rumort) und haben dort nicht minder Verbrechen an der Menschlichkeit begangen. In diesen Wirren fand auch der sog. Genozid an den Armeniern statt. Grausamer Mord hat hier eindeutig stattgefunden, das bestreitet kein Türke. Das als geplanten Genozid zu bezeichnen geht aber vielen Türken zu weit. Es ging nicht um das Auslöschen einer Ethnie wie im Holocaust später und resultierte nicht auf irren Hass gegen den Armenier an sich.