Genossenschaft Diese eG: Weiterarbeiten, Genossen!
Die Krise der Diese-Genossenschaft ist überwunden. In Friedrichshain-Kreuzberg muss sich Baustadtrat Florian Schmidt aber noch Kritik erwehren.
Nun ist es gelungen, ein Wohnhaus in der Rigaer Straße 101, von dessen Kauf die Diese eG aufgrund eines zuvor nicht abschätzbaren Sanierungsbedarfs zurückgetreten war, an die Ostseeplatz-Genossenschaft weiterzureichen. Regressforderungen bleiben der Genossenschaft – und damit dem Bezirk – somit erspart. Der zuständige Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) kann aufatmen.
Die Aufarbeitung des Krimis, der zuletzt MieterInnen, GenossInnen, Presse und PolitikerInnen – von denen viele Schmidt fallen sehen wollten – in Atem hielt, ist derweil noch nicht abgeschlossen. An diesem Mittwoch werden sich die Ausschüsse für Stadtentwicklung und Finanzen des Bezirksparlaments Friedrichshain-Kreuzberg damit beschäftigen.
Die Genossenschaft war im Mai gegründet worden, um in einer Hochphase von Verkäufen von Wohnhäusern an private Spekulanten handlungsfähig zu bleiben. Weil in immer mehr Fällen die Preise so hoch waren, dass sich landeseigene Wohnungsbaugesellschaften weigerten, in den Kauf einzusteigen, sollte die Diese eG die Lücke füllen.
Das Finanzierungsmodell der Genossenschaft setzte auf die MieterInnen, die sich freiwillig mit 500 Euro pro Quadratmeter bewohnter Fläche an den Kosten des Kaufs beteiligen, auf Darlehen der IBB, Bankkredite und einem zehnprozentigen Zuschuss durch das Land. Dieser wurde aber nur für die beiden zuletzt gekauften Häuser gewährt.
Am Ende ein Erfolg
Laut Schmidt sind schlussendlich „169 Wohnungen vor der Verwertung gerettet worden“. In den nun zur Diese eG gehörenden Häusern sei durch Belegungsbindungen „besonders bezahlbarer Wohnraum abgesichert“ worden. Auch habe mithilfe der Genossenschaft der Druck auf Käufer aufrechterhalten werden können, sich mittels Abwendungsvereinbarungen an soziale Vorgaben zu halten. Das Vorkaufsrecht sei ein großer Erfolg von Rot-Rot-Grün; allerdings brauche es künftig eine „bessere Kommunikation zwischen Bezirken und Senat“, sagte Schmidt am Dienstag der taz.
Weitere Vorkäufe zu Gunsten der Diese eG schließt Schmidt aber vorerst aus: „Sie wird sich jetzt konsolidieren.“ Ohne Diese eG und mit Mietendeckel, der die Refinanzierungsmöglichkeiten für die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften einschränkt, wird das Vorkaufsrecht zukünftig aber wohl seltener zum Einsatz kommen.
Laut dem Vorsitzenden des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, John Dahl (SPD), ist dem Bezirk der „größte Flurschaden“ erspart geblieben, der durch eine Insolvenz der Diese eG entstanden wäre. Dennoch sieht er Aufklärungsbedarf: Durch die monatelange Hängepartie zwischen Ausübung des Vorkaufsrechts und der Bewilligung der IBB-Gelder war die Genossenschaft Zahlungen schuldig geblieben und wurde verklagt.
Die Folgen seien Kosten durch Verzugszinsen sowie Rechtsanwalts- und Gerichtskosten. Dahl sagt: „Es stellt sich die Frage, ob Regressansprüche gegen Entscheidungsträger geprüft werden müssen.“ Schmidt erklärt hingegen, dass das „Finanzchaos ausgeblieben ist“; die Kosten durch die Verzögerung lägen zwischen 200.000 und 350.000 Euro.
Kein Hinweis auf Vetternwirtschaft
Für Dahl gibt es einen weiteren Kritikpunkt: Bei einem Haus in der Holteistraße, das bis zur Bewilligung der IBB-Darlehen nicht finanziert werden konnte, half der Projektentwickler Thomas Bestgen mit einem Kredit von sechs Millionen Euro. Bestgen will in Kreuzberg ein Hochhaus bauen, zu dem sich Schmidt bereits positiv geäußert hat. Dahl spricht von einem „Netzwerk um Florian Schmidt“. Dies mache ihn „misstrauisch“.
Schmidt widerspricht: „Es ist ein hohes Verantwortungsgut, dass Politik nicht mauschelt.“ Seine wohlwollenden Aussagen zu Bestgens Hochhausplan habe er lange vor dessen Engagement für die Diese eG getätigt. Sein eigener Einfluss auf das Projekt sei gering; außerdem werde es jetzt von allen sehr genau verfolgt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen