piwik no script img

Generika-Streit in IndienKrebstherapie 97 Prozent billiger

Widerspruch abgeschmettert: Das indische Patentamt darf dem Pharmakonzern Bayer das Exklusivrecht für sein Krebsmedikament Nexavar nehmen.

Für die einen die große Hoffnung auf Linderung oder Heilung, für die anderen das große Geschäft: bunte Pillen. Bild: dpa

BERLIN taz | Die einheimische Pharmafirma Natco darf in Indien weiter ein Nachahmerpräparat des von der Bayer AG patentierten Krebsmittels Nexavar verkaufen. Einen Widerspruch des deutschen Konzerns lehnte der oberste indische Patentprüfungsausschuss am Montag ab. Für das Nachahmerpräparat müssen Leber- und Nierenkrebspatienten rund 187 US-Dollar im Monat zahlen, das Original kostet im gleichen Zeitraum etwa 5.500 US-Dollar.

Bereits im März 2012 hatte das indische Patentamt Natco die sogenannte Zwangslizenz für Nexavar erteilt. Als Entschädigung sollte das Unternehmen Bayer eine Gebühr von sechs Prozent des Umsatzes zahlen.

Es war das erste Mal, dass Indien einem ausländischen Pharmakonzern ein Patent aberkannte. Inzwischen gibt es einige weitere Rechtsstreitigkeiten, beispielsweise um die Krebsmittel Glivec und Sutent der Schweizer Firma Novartis und des US-Unternehmens Pfizer sowie das Hepatitis-C-Medikament von Roche. Grundlage ist ein indisches Gesetz, das die Versorgung der armen Bevölkerung im eigenen Land über den Patentschutz stellt.

Indien ist die Apotheke der Armen

Die internationalen Größen der Branche halten dagegen, immerhin hat der indische Arzneimittelmarkt schon jetzt ein Volumen von mehr als zwölf Milliarden US-Dollar und könnte sich in den nächsten Jahren vervierfachen. Allerdings gilt Indien auch als „Apotheke der Armen“. Denn auf dem Markt tummeln sich viele Generikahersteller, die unter anderem Gesundheitsprogramme in ärmeren Ländern beliefern.

Nach der aktuellen Entscheidung muss Natco nun lediglich die Lizenzzahlungen an die Bayer AG auf sieben Prozent anheben. Die Begründung des Urteils lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

Die medizinische Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen forderte Bayer auf, „die Entscheidung zu akzeptieren und nicht anzufechten“. Patente machten „lebenswichtige Medikamente für Patienten in armen Ländern oft unbezahlbar, während die Konkurrenz durch Generikahersteller schnell und nachhaltig für deutlich niedrigere Preise“ sorge.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • TL
    Tim Leuther

    @Michael

     

    1. Bayer bekommt 7% des Gewinns eines Produktes das nur noch 3% des Umsatzes macht. Hätte der Generikaproduzent also eine Umsatzrendite von 100% wären das 0,21% des ursprünglichen Gewinns. Wenn die Umsatzrendite bei 10% liegt, was warscheinlicher ist, dann reden wir von 0,021% des ursprünglichen Umsatzes.

     

    2. Ohne die Bayer-Forschung gäbe es gar kein Medikament.

     

    3. Wenn es um die Menschlichkeit geht, dann kann der größte Waffenimporteur des Planeten auch mal in die Tasche greifen und ein paar groschen hinlegen. So aber ist es verlogen, es geht darum Bayer etwas wegzunehmen und sich aus der Verantwortung zu stehlen selbst etwas zum medizinischen Fortschritt beizusteuern. Dann eben mal ein paar Interkontinentalraketen weniger kaufen. So zu tun als hätte Indien kein Geld ist doch lächerlich. Fragen Sie die Rüstungsindustrie, die wissen das Indien Geld hat. Für Kampfgas würde Bayer wahrscheinlich Geld bekommen.

  • M
    Michael

    PS: Bayer hätte sicher auch mehr als die 7% Gewinnbeteiligung rausholen können, wenn sie ihr eigenes Produkt halt zu dort angemessenen Preisen vertickt hätten. Dann hätten sie quasi 100% Gewinn gehabt, aber man hat ja lieber geklagt und drauf gehofft dass man noch mehr kriegen kann. "Gierig" ist das Wort für so ein Verhalten.

     

    Immerhin kann man Bayer nicht vorhalten, dass sie hinter dem Berg halten mit ihrer Profitorientiertheit. Ihre Homepage macht zumindest nicht in erster Linie den Eindruck einer humanitären Organisation.

  • M
    Michael

    Das hat auch alles nichts mit "foot-print" Schulden zu tun, sondern mit Menschlichkeit.

     

    Mag auch sein dass Indien der größte Waffenimporteur ist (stimmt das überhaupt?) und die Atombomben - mein Gott, die liegen jetzt auch schon seit Jahrzehnten da rum und das hat man damals halt so gemacht.

     

    Aber jetzt die Bevölkerung darunter leiden zu lassen dass die Medikamente so teuer sind weil da vor Jahren Atombomben gebaut wurden... Ich weiss nicht.

     

    Abgesehen davon stimme ich den anderen zu die hier eine "Enteignung" befürworten. Zudem gehen immer noch Prozente an Bayer, also bitte...

     

    Und dann können wir ja auch noch mal kurz von Bayer vorlegen lassen was denn jetzt die Entwicklung dieses Medikaments gekostet hat und wo hin die Einnahmen davon fließen. Vielleicht geht auch was in den neuesten Botox-Ersatz von irgendwem, das wäre dann doch auch nicht fair, oder?

     

    So einige Meinungen sind hier ganz schön schnell hingekotzt und meinetwegen mögen die Leute auch Recht haben. Aber das Verständnis, dass Humanität und Solidarität über Profiten stehen sollte scheint sich bei diesen Einigen nicht durchgesetzt zu haben. Schade. Man kann nur hoffen dass sich das irgendwann ändert.

  • TL
    Tim Leuther

    Es sollte aber sichergestellt werden, das die, die sich die Medikamente leisten könnten, diese auch kaufen.

     

    Denn ohne Forschung können wir Medizin vergessen. Nicht nur haben wir keine neunen Erkentnisse mehr, auch verlieren wir Boden. Denn die Krankheiten mutieren ja.

     

    Das Indien es gleichzeitig hinbekommt größter Waffenimporteur der Welt zu sein, und keine angemessene Entschädigung für Medikamente zu bezahlen "kann" ist schon etwas schäbig.

     

    @Karl Sonnenschein

    Haben Sie sich schon einmal gefragt woher die Innovationen kommen, das Menschen älter als 40 werden. Auch außerhalb vom "Westen". Das hat der böse Westen gemacht. Das ist größer als alle "Footprint schulden".

  • KS
    Karl Sonnenschein

    In so etwa funktioniert Wirtschaft fuer Menschen.

     

    @Jonny

    " wenn Innovation einfach geklaut wird, werden die innovateure bestimmt mehr Geld investieren."

     

    Anstatt laufend ueber Diebstahl von "Innovationen" zu meckeren sollten die Industriestaaten mal darueber nachdenken wie sie ihre Footprint-schulden gegenueber ihren Mitmenschen begleichen!

     

    Dieser geldgeile Verein von Pharmakonzernen und Investoren ist ein moralisches Armutszeugnis unserer Gesellschaft!

  • T
    TimN

    @arribert

     

    Ich habe eben die Nexavar excess returns für Bayer berechnet (beta von 1,21). Die Gerichtsentscheidung hatte ÜBERHAUPT KEINE Auswirkungen. SO.

    BITTE lehn dich demnächst nicht so weit aus dem Fenster bevor du so einen Quatsch behauptest.

  • OH
    Ove Haithabu

    Im ersten Augenblick scheint es löblich, die Krankenversorgung der Armen über das Patentrecht anderer zu stellen aber gewisse Bedenken habe ich schon. Denn es ist ja schon eine Art Enteignung, was hier abgeht. Man kann ja auch einem Abfüller von Mineralwasser nicht einfach das Lager enteignen und sagen es wird von anderen, die sich das Wasser in Flaschen nicht leisten können, zum Überleben benötigt und daher wird es einfach enteignet.

     

    Wenn die indische Regierung ihrer Bevölkerung das Mittel subventionieren will, so soll die Regierung die Differenz an Bayer zahlen. Wer Geld für Atombomben hat kann auch nicht behaupten kein Geld zu haben.

     

    Einfach enteignen bringt nur kurzfristig etwas. Langfristig muss ein Pharmakonzern sein Geld bekommen. Bayer hat das Mittel ja auch nicht zufällig auf der Wiese gefunden. Da stecken Forschung, Arbeit und Versuche drin. Und sicher stecken auch ganz viele Versuche da drin, die nichts gebracht haben aber die trotzdem ausprobiert werden mussten. All die Menschen und Labore müssen ja auch von Bayer bezahlt werden. Und das soll auch so weitergehen.

  • PA
    Patente abschaffen

    @Johnny:

     

    Die Patentmafia verdient ihr Geld ja hauptsächlich in Ländern, in denen Menschen sich die teuren Produkte auch leisten können. Was sie hingegen in armen Ländern treiben ist Profitmaximierung und hat mit dem Abdecken der ursprünglichen Entwicklungskosten nichts mehr zu tun. Sie fänden es offenbar aber besser Millionen von Menschen einfach verrecken zu lassen, damit deutsche Frimen zu "ihrem Recht" (sprich: ihrer Kohle) kommen. Die Politik Indiens ist schon seit Jahren ein Segen für die Welt und hat Millionen Menschen das Leben gerettet oder zumindest verlängert und erträglicher gemacht. Besonders krasses Beispiel ist hier auch die AIDS-Epidimie in Afrika, die zu einem großen Teil mit indischen Medikamenten bekämpft werden kann.

    • @Patente abschaffen:

      Es sind eben keine indischen Medikamente, weil Indien nicht in der Lage ist, sie zu entwickeln. Wer die Arbeit leistet. sollte auch den Profit haben. Außerdem ist Indiens Verhalten nicht nur unmoralisch, sondern auch schädlich: Wenn Indien alle seine Medikamente stiehlt, kann es sie logischerweise viel billiger anbieten, als Firmen, die sie ehrlich erforschen. Als Folge davon wird Indien niemals eine leistungsfähige Pharmaindustrie erzeugen können. Wenn nun eine Krankheit wie Malaria vor allem in Indien verbreitet ist, werden viele Entwickler einfach aufgrund der Diebstahlsmentalität der indischen Regierung keine Medikamente gegen Malaria entwickeln und die indischen "Hersteller" können es nicht.

  • J
    johnny

    super Idee.

     

    wenn Innovation einfach geklaut wird, werden die innovateure bestimmt mehr Geld investieren. gaaaaaaaaaaanz sicher.

  • A
    arribert

    Gar nicht auszudenken, was das für eine Auswirkung auf den Aktienkurs von Bayer haben wird.