Generalstreik in Griechenland: Griechen gehen wieder auf die Straße
Für viele Griechen reicht das Einkommen kaum zum Überleben. Mit einem 24-stündigen Generalstreik wollen sie auf die Verarmung aufmerksam machen.

Schon am 20. November hatte ein 24-stündiger Generalstreik das öffentliche Leben in Griechenland weitläufig zum Erliegen gebracht. Davon betroffen waren auch diesmal Ämter, Behörden, Schulen und Krankenhäuser. Mit Haltetauen wurden die Passagier- und Autofähren an den Pollern am Kai festgemacht. Metro, Busse und Bahnen streikten in den Stoßzeiten.
An den Protestkundgebungen nahmen am Mittwochmittag in Athen, Thessaloniki und Patras erneut Zehntausende teil. Unverändert forderten sie sofortige reale Lohnsteigerungen, die Ausweitung der Tarifverträge, die nur etwa ein Viertel der Angestellten im Privatsektor abdecken, sowie die Wiedereinführung des 13. und 14. Monatsgehalts für die Beamten. Der damalige Finanzminister Jannis Stournaras hatte sie 2012 abgeschafft, er ist ein glühender Verfechter des rigorosen Sparkurses in Athen während der für Hellas desaströsen Zehnerjahren.
Stournaras, nunmehr Chef der Athener Notenbank (TTE), erteilte im Vorfeld des neuerlichen Generalstreiks der Wiedereinführung eine Absage. Dafür sei „kein Geld da“. Dass sich ausgerechnet die Notenbankangestellten unter Stournaras sehr wohl diese Extrabezüge gönnen, ärgert nicht nur die Gewerkschafter. Wie blanker Hohn klingt sein stures Nein zudem, nachdem die Regierung in Athen ein Milliardenpaket zur griechischen Aufrüstung beschlossen hatte. Der konservative Premier Kyriakos Mitsotakis hat Anfang April verkündet, 25 Milliarden Euro bis 2036 investieren zu wollen.
Geld kommt nur bei den Reichen an
In diesem Jahr geht TTE-Chef Stournaras derweil von einem Wirtschaftswachstum von 2,3 Prozent in Griechenland aus. Es ist ein Plus auf im EU-Vergleich weiter niedrigem Niveau und vor allem auf Pump: Ohne die üppigen EU-Gelder, die nach Athen fließen, stünde Mitsotakis ganz schön armselig da. Wie armselig, zeigt der Geldfluss: Im Siebenjahreszeitraum 2021 bis 2027 fließen EU-Mittel im Gesamtvolumen von 57,35 Milliarden Euro nach Athen – eine in Relation zur hiesigen Wirtschaftsleistung enorme Summe.
Der Haken daran ist zudem, dass die Regierung Mitsotakis dafür sorgt, dass fast die gesamten Gelder aus dem Corona-Aufbaufonds nur an wenige Großunternehmen gehen. Die allermeisten Firmen, konkret Hunderttausende Kleinst-, Klein- und mittelgroße Betriebe, gehen völlig leer aus. Was bleibt, ist die weiterhin florierende, aber ansonsten anfällige Monokultur Tourismus sowie die Handelsschifffahrt, die steuerbefreit ist – und so die Reeder von Jahr zu Jahr immer reicher macht.
Die unweigerliche Folge: Die meisten Menschen in Griechenland kommen kaum über die Runden. 2009 lag das hiesige Gehalt eines Vollzeitbeschäftigten im Schnitt noch bei monatlich 1.379 Euro brutto. Heute sind es knapp fünfzig Euro weniger. Dank steigender Inflation bleibt davon noch weniger über. Die hiesigen Preise sind seit 2020 um kumuliert 19 Prozent gestiegen, Lebensmittel sind gar 30 Prozent teurer. Laut Eurostat liegt die Kaufkraft der Griechen bei 70 Prozent des EU-Durchschnitts. Nur die Bulgaren liegen noch dahinter, holen aber auf. Für die Griechen, seit 1981 in der EU, ist dieser Niedergang eine Demütigung.
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