Generaldebatte im Bundestag: Merkel bleibt (zu) lässig
Die Kanzlerin wirkt in der Debatte frisch – zumindest rhetorisch. Zündende Ideen oder große Projekte hat die Große Koalition nicht mehr.
R ein stilistisch wird Angela Merkel uns fehlen. Am Ende ihrer Rede im Bundestag sagte die Kanzlerin, dass sie persönlich es ja besser fände, wenn die Regierung nicht auseinanderfliegt. Und falls die Regierung hält, wäre sie weiter dabei. So lässig hat wohl kaum ein Kanzler den möglichen Zusammenbruch einer Regierung kommentiert. Die SPD kann die Groko ja demnächst verlassen.
Die Generaldebatte im Bundestag ist Inszenierung, Rhetorik, Performance. Inhaltlich gibt es naturgemäß wenig Neues. Die AfD findet es völlig unsinnig, etwas gegen den Klimawandel zu tun – Alexander Gauland fehlt nur noch der Aluhut. Christian Lindner wirkt besserwisserisch wie immer und gibt den Bauernversteher, den Grünen geht die Energiewende zu langsam, der Linkspartei fehlt das Soziale.
Interessant ist Merkels langes Lob der Nato und die Ankündigung, dass Deutschland in den 2030er Jahren, wie von Trump verlangt, 2 Prozent des Bruttoinlandprodukts für Rüstung ausgeben wird. Das ist noch eine Weile hin. Merkel wird dann eine Figur der Geschichtsbücher sein. Aber der Rüstungsetat steigt schon jetzt. Zudem kündigt die Kanzlerin eine Senkung der Unternehmenssteuer an. Und sie verteidigt die schwarze Null. Dass man sich bei Minuszinsen kein Geld leiht, obwohl man dabei mehr zurückbekommt, leuchtet zwar keiner schwäbischen Hausfrau ein. Aber die schwarze Null ist für die Union ein Fetisch. Es ist eines der letzten politischen Ausstellungsstücke in der Vitrine, die Merkels Modernisierungen ansonsten ziemlich leer gefegt hat.
Merkel warnt vor Auseinanderdriften der Gesellschaft
Wenn neue Schulden ausgeschlossen sind und die Einnahmen sinken, fragt sich, welche Ausgaben dann gekürzt werden – Verteidigung offenbar nicht. Merkel warnt, für ihre Verhältnisse schwungvoll, vor dem Auseinanderdriften der Gesellschaft. Doch mit welchem Geld diese Spaltungen gemildert und bekämpft werden sollen, bleibt dunkel.
Die Kanzlerin wirkt in der Debatte frisch – aber sie ist eine lame duck. Die Große Koalition hat keine zündenden Ideen oder großen Projekte mehr. Sie bleibt eine Regierung, die noch da ist, eine Regierung auf Abruf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind