Gemeinwohlorientiert in die Zukunft: Jugend muss mal warten

Krise? Beförderte meist die Ellbogengesellschaft. Es gibt aber Anlass zur Hoffnung, dass die heute Jungen das in der Coronakrise anders machen.

Junger Mensch sitzt allein auf einer Treppe

Leben mit Coronoa: Allein und damit die Abstandsregel allemal eingehalten Foto: dpa

BERLIN taz | Es muss ziemlich krass sein, wenn man heute jung ist, also vielleicht kurz vor dem Schulabschluss steht oder ein bisschen danach. Eigentlich ist man dann ja so randvoll mit Plänen, nicht unbedingt schon konkret, was werden sollte, aber doch, was werden könnte für einen selbst. Und selbst wenn man sich diese herrliche Planlosigkeit nach der Schule erlaubt hat, war – zumindest für die gut Ausgebildeten – immer klar, dass es schon irgendwie weitergehen würde für sie, die Generationenforscher auch die Generation Z(ero) nennen, weil sie eben nach 2000 geboren sind.

Der Arbeitsmarkt wollte sie nicht nur, sondern brauchte sie sogar. Und sie haben zudem die umwerfende Erfahrung gemacht, dass sie durch politisches Engage­ment – die Klimabewegung – die Welt vielleicht nicht verändern, aber doch die Welt bewegen können. Eine eigentlich sehr satte und genau deshalb sehr selbstbewusste Generation, sagt auch der Berliner Soziologe Klaus Hurrelmann von der Hertie School of Governance.

Dann kam der Coronafrühling, der vielleicht schon zu oft als „Vollbremsung“ beschrieben wurde, aber es stimmt ja: Die Wirtschaftsleistung ist in Deutschland im ersten Vierteljahr um 2,2 Prozent eingebrochen, sagt das Statistische Bundesamt. Für NichtexpertInnen: Das ist der größte Rückgang seit der Finanzkrise 2008.

Konkret heißt das: Wer als Azubi zum Beispiel in die Gastro- oder Tourismusbranche will, hat es jetzt schwer. Auch wenn die IHK Berlin noch darauf setzt, dass sich Corona nur als „Delle“ bemerkbar macht, die sich schon im darauffolgenden Ausbildungsjahr schnell wieder ausbügelt. Wer sich in Berlin als StudentIn in der Gastronomie etwas dazuverdient hat, verlor mit ziemlicher Sicherheit den Job. Vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben machen Letztere jetzt die Erfahrung, dass sie auf Hilfe angewiesen sind, in dem Fall auf die 500-Euro-Nothilfe der Bundesregierung.

Und allein die Tatsache, dass man zumindest in den Clubs dieser Stadt das Leben und das eigene Jungsein nicht mehr feiern kann, dürfte einen ziemlich gnadenlos runterziehen, wenn man 20 ist.

Keine Generation Ego

Mag sein, dass die Generationen davor, X und Y heißen sie und sie sind zwischen 1965 und den späten 90ern geboren, gerade eine harte Zeit hatten oder noch haben: mit Kindern zu Hause und Homeoffice und womöglich weniger Geld auf dem Konto für einen gewissen Lebensstil, den es zu verteidigen gilt. Und dann gleitet ihnen auch noch die Work-Life-Balance durch die Finger, obwohl genau die ihnen doch so wichtig ist. Generation Ego werden die Yer, die Geburtsjahrgänge ab Mitte der 80er bis Ende der 90er, von SoziologInnen auch genannt.

Die Jungen haben diesen ganzen Besitzstandballast noch nicht zu wahren. Und gerade weil sie noch nicht mit Kindern im Homeoffice angekommen sind, muss diese Vollbremsung eine ziemlich krasse Erfahrung sein. Was ist schon ein halbes Jahr in einem Job, den man seit 10 Jahren macht? Wenn man 20 ist, hat man in einem halben Jahr locker mal zwei Nebenjobs gemacht und ein Praktikum, das einen vielleicht sogar weiterbringt. Oder, wegen Corona, nun eben nicht.

Vielleicht macht diese Generation, die sich bisher als so wirkmächtig erfahren hat, gerade zum ersten Mal die Erfahrung, dass eine Krise über ihre Zukunft bestimmt und nicht mehr nur sie selbst allein. Wie sie mit dieser Erfahrung umgehen werden, sei nun spannend zu beobachten, sagt der Soziologe Hurrelmann. Die Generation davor habe auf die Finanzkrise 2008 zum Beispiel eher mit einem Rückzug ins Private reagiert, „eine nicht egozentrische, aber doch egotaktische Generation, die sich sehr auf das eigene Fortkommen fokussiert“, sagt Hurrelmann im taz-Interview.

Die Zeros geben allerdings Anlass zur Hoffnung, dass sie es mal anders machen: Der Fokus, der sich schon in der Klimabewegung vom Einzelnen weg auf das Allgemeinwohl richtete, scheint sich darauf zu übertragen, wie die Jungen auch die Gesundheitskrise begreifen. Eine Münchner Studie hat 1.000 Jugendliche befragt, die die Social-Media-Plattform Snapchat nutzen, die laut eigenen Angaben 80 Prozent der 13- bis 24-Jährigen erreicht. Mehr als zwei Drittel der Befragten war überzeugt davon, dass die Krise auch Anlass sein kann, den gesellschaftlichen Wandel zu gestalten – zum Beispiel in der Klimafrage.

Die Jugend von heute, sie kann einem sympathisch sein. Und zum Glück gehört ihr die Zukunft.

Jugend in der Krise: vier Protokolle, ein Interview

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.