: Geldhahn zugedreht
Das französische Parlament schafft den Großteil der „Geheimfonds“ ab, aus denen sich die Regierenden jahrelang selbst bedienen konnten
PARIS taz ■ Sie hießen „Geheimfonds“ – aber jedeR in Paris wusste davon. Und alle Regierungen und Präsidenten der Nachkriegszeit haben sich bedient. In der Nacht zu gestern haben die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung Abschied von einem Teil der undurchsichtigen Praxis genommen. Ab dem Jahr 2002 werden die politisch Verantwortlichen keine geldgefüllten Umschläge aus dem Staatshaushalt mehr an ihre engen MitarbeiterInnen und sich selbst vergeben können. Es sei denn, sie tun es ganz offiziell.
Die „Geheimfonds“, die in der offiziellen Pariser Sprachregelung „Spezialfonds“ heißen, sind allein in diesem Jahr mit mehr als 50 Millionen Euro ausgestattet. 34 Prozent davon gehen an den Premierminister, 6 Prozent an den Staatspräsidenten, der Rest an die MinisterInnen. EinE jedeR kann bislang nach eigenem Ermessen über diese Fonds verfügen. Nachweise über ihre Verwendung werden nicht verlangt. Dass es damit ab 1. Januar vorbei sein soll, wird sich vor allem auf die Brieftaschen der SpitzenmitarbeiterInnen der Pariser Regierung und des Staatspräsidenten auswirken. Sie müssen ihre künftigen Sondereinnahmen ganz offiziell deklarieren. Bloß jene zwei Drittel der Geheimfonds, die für Spionagezwecke und ganz geheime Einsätze ausgegeben werden, soll es dann noch geben. Das sind immerhin 36 Millionen Euro.
Seit der Einführung der für besondere Aufgaben gedachten Geheimfonds im Jahr 1946 haben weder linke noch rechte PolitikerInnen in Paris je dagegen protestiert. Auch nicht der frühere Minister und jetzige Premierminister Frankreichs. Erst in diesem Sommer schlug Sozialdemokrat Lionel Jospin die Abschaffung der Geheimfonds vor.
Anlass für diesen Schritt, der jetzt von der Nationalversammlung übernommen wurde, waren dubiose Reisefinanzierungen des gegenwärtigen Staatspräsidenten Jacques Chirac. Der hatte als Bürgermeister von Paris rund 450.000 Euro unbekannter Herkunft für Privatreisen in die USA, nach Japan und in die Alpen ausgegeben. Als das in diesem Frühsommer herauskam, ließ Chirac verlauten, das Geld stamme aus den Geheimfonds, die er in seiner Zeit als Premierminister und Minister kassiert habe.
DOROTHEA HAHN
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