Geld für die Ukrainische Armee: Spenden brechen weg
Vielen in der Ukraine fehlt das Geld, sie spenden immer weniger an die Armee. Stiftungen bereiten Sammelaktionen nun mit Marketingstrategien vor.
Der Freiwillige Taras Krawtschuk erzählt, dass die Soldaten dieses Fahrzeug im Gebiet Donezk in Richtung der sogenannten Straße des Lebens verloren hätten. Diese Straße verbindet das von den Russen halb eingekesselte Bachmut mit dem Gebiet, das ukrainische Streitkräfte kontrollieren. Diese „Straße des Lebens“ wird dauernd beschossen, täglich zerstören die Russen hier die Technik der Ukraine.
An dem Wagen, der einige Wochen hier stehen wird, sind Spuren von Kugeln und von Splittern zu sehen. Mithilfe des Fahrzeugs hoffen die Freiwilligen, die Aufmerksamkeit der Menschen zu erregen und dann Geld für ein neues Fahrzeug sammeln zu können. Das brauchen die Soldaten bei ihren Kampfeinsätzen, zum Beispiel, um Verletzte zu evakuieren.
Die Spenden für das Fahrzeug kann man über einen QR-Code tätigen, den jemand auf die Motorhaube gemalt hat. An den Wochenenden sind hier in der Nähe Freiwillige mit durchsichtigen Kisten unterwegs. Wiktorija Kuschnir hat gerade einige Scheine hineingesteckt und sagt: „Diese Art, Aufmerksamkeit zu erregen, ist effektiv. Wenn man das verbeulte Metall sieht, möchte man der Armee helfen.“
Summen haben sich mehr als halbiert
Gerade kommt Jewgeni, ein Soldat, vorbei. Er ist aus dem Kriegsgebiet zurückgekehrt und wird nun in Luzk medizinisch behandelt. Er sagt, solche Autos seien für das Militär an der Front mittlerweile äußerst wichtig. „Ich habe sieben Monate in Bachmut gekämpft und bin erst vor Kurzem hier angekommen. Bei diesem Auto waren wohl Mörser am Werk, vielleicht haben die Insassen gelitten. Ein Fahrzeug im Krieg, das ist nur Metall, Material für den Gebrauch“, sagt er.
Die Freiwilligen planen für das neue Fahrzeug, das der 57. Brigade der Streitkräfte übergeben werden soll, 200.000 Hriwna (umgerechnet 5.000 Euro) zu sammeln. Solche Sammelaktionen sind in der Ukraine mittlerweile schwieriger geworden: Im zweiten Jahr des russischen Angriffskriegs haben die Menschen dafür weniger Mittel zur Verfügung. Ein weiterer Grund: Weit hinter der Front, dort wo Luzk liegt, ist der Atem des Krieges weniger spürbar als in der Nähe der Front.
Wiktoria Prudnikowa, die den Soldaten hilft, für ein Auto zu sammeln, sagt: „Vor einem Jahr konnte ich in einer Woche so viel Geld sammeln, dass es für drei Autos reichte. Derzeit gehen die Spenden zurück. Manchmal fühle ich mich wie eine Bettlerin, die zwischen Menschen herumläuft und um Geld bittet, für was auch immer.“
Die ukrainische Kommunikationsagentur Postmen hat jetzt eine Studie durchgeführt und herausgefunden, wie viel Geld die Ukrainer im ersten Jahr des Krieges durchschnittlich für die Streitkräfte gespendet haben und wie sich die Situation im Laufe des Jahres verändert hat. Ungeachtet des Umstandes, dass sich die wirtschaftliche Lage verschlechtert hat, hatten 90,3 Prozent der Befragten die Streitkräfte finanziell unterstützt.
Doch die gespendeten Summen haben sich mehr als halbiert. Ergebnissen der Umfrage zufolge belaufen sich die monatlichen Spenden der Ukrainer derzeit auf durchschnittlich jeweils 1.525 Hriwna (40 Euro).
„Das ganze Land muss für den Sieg arbeiten“
„Die wirtschaftliche Lage verschlechtert sich, die Menschen haben immer weniger Geld. Dies wirkt sich entsprechend auf die Spenden aus. Gleichzeitig nimmt der Bedarf der Truppe nicht ab“, sagt Oleg Karpenko, Direktor der Abteilung für Entwicklung und Partnerschaften des Fonds „Komm lebendig zurück“.
Durch die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft gelingt es diesem Fonds, das Niveau der Spenden zur Unterstützung der Armee aufrechtzuerhalten. Allerdings erfordert das von Monat zu Monat mehr Aufwand. Olja Valjanyk ist Leiterin der Angar-Stiftung aus Luzk. Auch sie und ihre Kollegen spüren den Rückgang der Spenden, daher suchen wir nach anderen Möglichkeiten.
Aktuell sammelt Angar bis zu 4 Millionen Hriwna (100.000 Euro) pro Monat ein – im Vergleich zum Frühjahr 2022 deutlich weniger. „Aber wir legen die Hände nicht in den Schoß und packen an. Das ganze Land muss für den Sieg arbeiten, nur dann werden wir gewinnen“, sagt Valjanyk.
Mittlerweile sind in der Ukraine nur noch große Organisationen am Start, die einen Namen haben und Vertrauen genießen. Viele kleine Stiftungen und Enthusiasten haben ihre Motivation verloren, sind müde geworden und haben sich abgewandt.
Waffenausstellungen und Meisterschaften im Ringen
Olga Menschikowa, eine Freiwillige aus Kyjiw, sagt, sie sei immer besorgter, wenn sie eine neue Geldsammlung für die Armee starte. „Ich habe Angst, die Jungs im Stich zu lassen. Keine Zeit zu haben, um ihren Bitten nachzukommen – denn Minuten können entscheidend sein. Ich wache nachts und morgens auf und überprüfe dann sofort den Betrag auf meiner Karte. Immer wieder denke ich darüber nach, wen ich sonst noch um Unterstützung bitten kann, um wichtige militärische Bedürfnisse so schnell wie möglich zu decken“, sagt sie.
Um die notwendigen Beträge zusammenzubekommen, raten Marketingexperten Freiwilligen, den Menschen die Folgen des Krieges vor Augen zu führen, sie mit Geschenken zu Spendengeschenken zu ermutigen und Geschichten über den Krieg zu erzählen.
„Sammeln von Spenden erfordert eine sorgfältige Vorbereitung, Kommunikation, Marketing und interessante Details während der gesamten Aktion – die Menschen müssen die ganze Zeit adressiert werden und die Möglichkeit bekommen, sich eingebunden zu fühlen“, erklärt einer der Chefs der Stiftung „Komm lebendig zurück“.
In Luzk, in der Nähe des Zentrums, habe Freiwillige mittlerweile auch mehrere andere Aktionen veranstaltet, um Aufmerksamkeit zu erregen: eine Waffenausstellung, eine Meisterschaft im Ringen, Kurse zur richtigen Anwendung einer Aderpresse, um Blutungen zu stoppen. Das Ergebnis: Innerhalb von zwei Tagen hatten die Freiwilligen die Hälfte des Betrages zusammen.
Aus dem Russischen Barbara Oertel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen