Gelbwesten in Frankreich: Mit 34 Fragen gegen den Protest
Frankreichs Präsident hat den BürgerInnen einen Brief geschrieben. Sie sollen ihm zu Themen wie Demokratie oder Migration Vorschläge machen.
Ursprünglich begannen die Proteste der Gelbwesten wegen der Steuererhöhungen für Kraftstoffe. Als sie sich ausweiteten, kam es immer wieder auch zu Ausschreitungen. Macrons Ziel ist es nun, den Eindruck zu verdrängen, er sei blind und taub für die Proteste der Gilets jaunes.
Ihm sei bewusst, dass Frankreich „kein Land wie andere“ sei, weil „die Empfindsamkeit für Ungerechtigkeit“ oder auch die „Forderung nach gegenseitiger Hilfe und Solidarität“ stärker ausgeprägt sei als anderswo, heißt es. Und darauf sei er als ihr Präsident „stolz“. Es dürfe nun über alles geredet werden, aber ohne Gewalt, Druck und Beschimpfungen.
Die BürgerInnen sollen beispielsweise über die Demokratie, Institutionen und die Organisation der öffentlichen Dienste diskutieren, zugleich aber auch Vorschläge zur Finanzierung ihrer Wünsche oder Prioritäten machen. Wer gerechtere Steuern verlangt, solle darum auch erklären, wie das gehen könnte. Wer neue Dienstleistungen schaffen möchte, soll sagen, wer dafür bezahlt. Ähnlich ermuntert Macron die Leute auch, Vorschläge zu Finanzierung einer unausweichlichen Energiewende zu machen.
Zu den Diskussionsthemen gehört für Macron auch die Migrationspolitik. Er fragt ohne Umschweife, was seine Landsleute von einer Quotenregelung für die legale Einwanderung halten: „Was schlagen Sie vor, um die Integration in unsere Nation zu verbessern? Wollen Sie, dass das Parlament – ohne die Erfüllung unserer Pflicht des Asyls (für Flüchtlinge) infrage zu stellen – bezifferte jährliche Ziele für die Immigration fixiert?“
Zum Zusammenleben der verschiedenen Konfessionen soll aber am Prinzip der strikten Trennung von Staat und Religionen und an der gegenseitigen Toleranz nicht gerüttelt werden: „Wie kann die Respektierung des gegenseitigen Verständnisses und der unantastbaren Grundwerte der Republik garantiert werden?“
Macron hat Grund zur Vorsicht, denn zweifellos hat er noch das Fiasko einer 2009 von Nicolas Sarkozy lancierten Debatte über die „nationale Identität“ in Erinnerung, die auf xenophobe und rassistische Abwege geriet und abgebrochen werden musste.
Macron betont einleitend, es handle sich bei dieser Konsultation „weder um Wahlen noch um eine Volksabstimmung“. Das bedeutet, es wird nichts entschieden – und nichts garantiert den Leuten, dass ihre Vorschläge in der Regierungspraxis berücksichtigt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung