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Gelassener Bonvivant

„Gruß an das Publikum“: Jubilar Mario Adorf sagt – und singt – „Ciao!“  ■ Von Volker Peschel

Deutschlands vielleicht beliebtester Schauspieler präsentiert sich auf Plakaten: „Mario Adorf sagt Ciao!“. „Es ist mehr als Gruß an das Publikum zu verstehen“, beruhigt er im Vorfeld und lächelt dabei entspannt und selbstzufrieden, als wolle er sich über solch klägliche Dinge wie Abschieds-Tourneen keine Gedanken machen. Vergnügt freut er sich auf die 19 Auftritte im Oktober und November, schmunzelt noch leicht über die Feierlichkeiten zu seinem 70. Geburtstag: „Das Ganze habe ich ein bisschen geheim gehalten, wollte kein großes Abfeiern im Fernsehen: Ich sitze im großen Sessel, alle stellen sich an und erzählen mir, wie toll sie mich finden. Das wollte ich nicht machen. Es freut mich natürlich, wenn alte Filme mit mir laufen. Aber das reicht. Ich habe unter Freunden ohne großen Pomp gefeiert.“ Die Bescheidenheit eines „Weltbürgers“, der dieses oft bemühte Etikett wahrlich lebte.

Bescheiden begann seine Kindheit. Unehelich geboren, wuchs er in Mayen in der Eiffel auf, missgünstig beäugt von der dörflichen Nachbarschaft. „Meine Mutter hat dann gesagt: Du bist wer, die anderen sind nur kleine, blöde Spießer.“

Er ging nach Zürich, studierte Psychologie, brach ab, absolvierte die Otto-Falckenberg-Schauspiel-Schule in München. Mit 27 Jahren entdeckte ihn US-Regie-Größe Robert Siodmak. Adorf wurde in der Rolle des Triebtäters Bruno Lüdke in Nachts, wenn der Teufel kam zum Star. Und wurde immer wieder als kantiger, wortkarger Finsterling besetzt: als tyrannischer Familienvater Jonas Lauretz in Via Mala oder dem Wahn verfallender Alfons Rogalla in Heimatmuseum. Selbst in Winnetou musste er die liebreizende Nscho-Tschi erschießen.

Dabei gerieten seine Figuren nie nur böse, erschreckend nachvollziehbar zeichnete er sie, stets bemüht, das Menschliche in ihnen herauszukehren. „Wenn ich an die ,bösen' Rollen denke, habe ich immer versucht zu erklären, welche Qualitäten dieser Mensch zumindest mal gehabt haben muss. Niemand kommt böse auf diese Welt. In Via Mala spielte ich einen Mann, der seine Familie drangsaliert. Was ist daran eigentlich interessant? Merkwürdigerweise schaut man doch hin. Zu diesem bösen, alten Mann. Und auf einmal merkt man: Er hätte auch ein ganz toller Mann werden können. Aber leider...“

In den 60er Jahren wurde Mario Adorf zum Weltstar. Er beherrscht vier Sprachen, arbeitete in Hollywood, Paris und Rom mit Regisseuren wie Billy Wilder oder Claude Chabrol. Er trat mit den großen Diven des Films vor die Kamera: Bardot, Lollobrigida, Loren. Die Welt zu Füßen, waren es heimische Regisseure, bei denen er zur Legende wurde. Ob in Schlöndorffs Die verlorene Ehre der Katharina Blum und Die Blechtrommel oder Reinhard Hauffs Der Hauptdarsteller.

In den 90er Jahren waren es Helmut Dietl und später Dieter Wedel, die Adorf mit ihren TV-Filmen noch populärer machten: als neureicher Fabrikant in Kir Royal, als bonvivanter Wirt in Rossini oder schlicht als Der große Bellheim. „Ich suche mich in Rollen nicht selbst, sondern möchte in anderen Personen Spaß finden. Ich interessiere mich nicht für mich. Vielmehr möchte ich spontan sein, möchte naiv sein, möchte neugierig sein.“ Aus dem Mörder von Winnetous Schwester wurde so der nach Umfragen beliebteste deutsche Schauspieler.

Seit über 30 Jahren wohnt er mit seiner französischen Frau Monique in Rom, widmete sich in den letzten Jahren verstärkt der Schriftstellerei – und den Chansons. Gesangsunterricht war nicht nötig für den ehemaligen Halbschwergewichts-Boxer, einen bärtigen Bariton: „Es ist nicht gut für diese Art Gesang. Man hat mir gesagt: Je perfekter desto schlechter.“

Seit 1992 tourt er als „One-Man-Show“, liest mit verschmitzter Nonchalance aus seinen Erzählbänden, singt alte Weisen und stellt die fast fünfzigjährige Karriere in den Ring. Sein neues Programm „Ciao!“ nennt er „Personality-Show“ – „Ich möchte unterhalten.“ Ein paar Anekdoten aus dem Leben als Weltstar, dazu Chansons von Conte und Hollaender, Caruso und Celentano. „Einfach das, was ich gerne mag“.

Vorher und nachher wird gefilmt. Aktuelles Projekt: In Hamburg spielt er in Dieter Wedels Neuverfilmung der Affäre Semmerling. Danach folgt Bernd Eichingers Finckelstein-Projekt: Die Geschichte dreier ehemaliger KZ-Häftlinge, die sich auf die Suche nach ihrem einstigen Peiniger machen. Und dann?

Ganz einfach: „Wenn nichts nachkommt, war ,Ciao!' halt mein Abschied.“

Donnerstag, 20 Uhr, Musikhalle

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