Geiselnahme im Nordirak: Mehrere Dutzend Studenten befreit
Bange Stunden an der Universität von Anbar: Islamistische Extremisten hielten zahlreiche Studenten als Geiseln, flüchteten dann aber vor dem heranrückenden Militär.
BAGDAD ap | Irakische Extremisten haben am Samstag die Universität der Provinz Anbar gestürmt und Dutzende Studenten für mehrere Stunden als Geiseln genommen. Die Angreifer lieferten sich ein Feuergefecht mit den herbeigerufenen Sicherheitskräften, flüchteten aber schließlich, wie die Polizei mitteilte. Die Studenten blieben alle unverletzt, mindestens drei Polizisten wurden aber getötet.
Die Universität von Anbar nahe der Provinzhauptstadt Ramadi war von den seit Monaten tobenden Kämpfen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und islamistischen Extremisten in der Region bisher verschont geblieben. Am Samstag erstürmten die Extremisten dann aber die Universität mit ihren 10.000 Studenten und erschossen dabei drei Polizisten, die das Eingangstor bewachten. Zum Zeitpunkt des Angriffs seien mehrere hundert Studenten auf dem Gelände gewesen, sagte der Vorsitzende des Provinzrates, Sabah Karhut.
Ahmed al-Mehamdi, eine der Geiseln, konnte nach außen telefonieren und berichtete der Nachrichtenagentur AP, dass er am Morgen vom Gewehrfeuer aufgewacht sei und Bewaffnete wenig später sein Studentenheim gestürmt hätten. Besonders die schiitischen Studenten seien in Panik geraten, als sich die Angreifer als Mitglieder der sunnitischen Extremistengruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien (Isis) zu erkennen gegeben hätten, sagte er. Sunnitische Extremisten sehen Schiiten als Fehlgläubige an. Offiziell übernahm Isis zunächst nicht die Verantwortung.
Später meldete er sich noch einmal aus einem der Busse, mit denen die Behörden die Studenten in Sicherheit brachten, während sich die Sicherheitskräfte noch Schusswechsel mit den flüchtenden Extremisten lieferten. „Wir danken Gott, dass diese Krise fast friedlich beendet wurde und – soweit ich weiß – kein Student verletzt wurde“, sagte er.
Isis und andere von sunnitischen Extremisten geführte Gruppen kontrollieren seit Ende Dezember Teile der Provinz Anbar, darunter die Stadt Falludscha und Teile von Ramadi, und setzen dort brutal islamische Regeln durch. Regierungstruppen und mit ihnen verbündete Stammeskämpfer versuchen seither vergeblich, sie zu vertreiben. Täglich kommt es zu Kämpfen, Zehntausende flüchteten aus der Region.
Geiselnahmen sind im Irak relativ selten. Normalerweise begehen die Extremisten Anschläge in belebten Gebieten, mit denen sie versuchen, zahlreiche Menschen zu töten. Am Freitag kamen im Irak bei Anschlägen mindestens 27 Menschen ums Leben. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Vereinten Nationen 8.868 Menschen bei Anschlägen im Irak getötet.
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