Geheimes Papier der Linken-Spitze: „Konfliktorische“ Chefs
In einem Papier der Linken-Spitze werden angeblich Genossen als No-gos bezeichnet. Auch gegen andere sollen sich die Parteichefs verschworen haben.
BERLIN taz | Die Linke hat gerade richtig Ärger. Und zwar sowohl in der Parteizentrale als auch innerhalb der Bundestagsfraktion. Auslöser ist ein Spiegel-Artikel, in dem Parteichefin Katja Kipping als skrupellose Machtpolitikerin dargestellt wird. In einem Strategiepapier aus Kippings Vorstandsbüro soll vor der Bundestagswahl ein Fahrplan entwickelt worden sein, wie die 36-Jährige ihre Machtstellung ausbauen und missliebige GenossInnen kaltstellen könnte. Titel des Papiers: „Führungspersonal, Prämissen, personelle No-gos und zu schützende Personen“.
Die Parteichefin bestreitet, das Papier zu kennen. Der taz sagt Kipping: „Ich habe einen Anwalt beauftragt, eine Gegendarstellung durchzusetzen.“ Diese solle „selbstverständlich auch eine Distanzierung von den zitierten Passagen beinhalten“.
Ebendiese Distanzierung käme für Halina Wawzyniak zu spät. Die Berliner Bundestagsabgeordnete hat nach der Lektüre des Spiegel-Textes ihr Amt als stellvertretende Parlamentarische Geschäftsführerin zurückgegeben. Grund: In dem Papier wird sie namentlich als „No-Go“ benannt. Für sie sei damit „die Grenze der Zumutbarkeit erreicht“, sagt Wawzyniak. „Fachpolitik ist ja auch was Schönes.“
In ihrem Blog konkretisiert die Rechtspolitikerin ihre Vorwürfe. Schon der zurückliegende Bundesparteitag Anfang Mai sei für sie „ein Bruch mit der innerparteilichen Kultur“ gewesen. Dort war auf Betreiben der Parteiführung hin Bundesschatzmeister Raju Sharma ausgehebelt worden. Der Spiegel berichtete dazu, Kipping und ihr Co-Chef Bernd Riexinger hätten vorab ein Szenario entwickeln lassen, wie Sharmas Wiederwahl „im Falle einer konfliktorischen Auseinandersetzung“ verhindert werden könne. Und tatsächlich erging man sich beim Parteitag in Andeutungen, unter Sharma als Schatzmeister sei nicht alles korrekt gelaufen. Von der Parteiführung wurde er nicht in Schutz genommen.
Reformerbund auflösen?
Ein Vorwurf vieler überwiegend ostdeutscher Genossen betrifft die fehlende Unterstützung von Kipping und Riexinger für den innerparteilichen Reformerflügel. Der Europapolitiker Dominic Heilig, der vom Forum demokratischer Sozialismus (fds) unterstützt worden war, unterlag beim Kampf um den stellvertretenden Parteivorsitz. Die Führung rührte keinen Finger, um Heilig durchzusetzen. Statt seiner bekam der Freiburger Friedensforscher Tobias Pflüger den Posten. Eine herbe Niederlage für die parteiinternen Reformer und deren Vertretung, das fds.
Für dessen Bundessprecher Stefan Liebich steht seit dem Parteitag alles in Frage. Gleich nach der Pleite von Berlin veröffentlichten er und seine Co-Sprecherin Luise Neuhaus-Wartenberg ein Papier, Titel: „Wir müssen reden!“ Bei einem außerordentlichen Treffen im Juni will man „in aller Grundsätzlichkeit“ über die Zukunft des fds diskutieren.
Möglicherweise, so der Tenor, sollte man sich wegen Erfolglosigkeit auflösen. Liebich bestätigt gegenüber der taz, dass dies keine hohle Phrase sei. „Entweder wir versuchen, weiter wie bisher als Teil des Zentrums der Partei zu agieren. Oder die Auflösung ist eine ernste Option.“
Bleibt die Frage, wie Kipping und Riexinger die im Raum stehenden Vorwürfe ausräumen und neues Vertrauen aufbauen wollen. Besonders gut ist ihre Position nicht. Gemessen an den Ergebnissen der Europawahl und Kommunalwahlen sind ihre Erfolge mager. Und im Herbst sind Landtagswahlen: In Thüringen und Brandenburg rechnet sich die Linke Regierungschancen aus. Ein kommunikativer Crash wie der jetzige könnte da sehr lange Schatten werfen.
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