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Geheimes CIA-Papier zu Afghanistan-KriegFurcht vor Europas Kriegsmüdigkeit

Ein auf der Plattform Wikileaks lanciertes CIA-Papier verrät, was die USA gegen die Kriegsmüdigkeit Deutschlands planen: Eine Werbeoffensive mit persönlichem Einsatz Obamas.

Bald wieder in Berlin? Obama soll verstärkt für den Afghansitan-Einsatz werben. Bild: ap

Manchmal braucht es eine fremde Sicht, um die Dinge beim Namen zu nennen: „Öffentliche Gleichgültigkeit erlaubt es Politikern, die Wähler zu ignorieren“, schreibt eine Analysegruppe des US-Geheimdienstes CIA in einem aktuellen Dokument, das vor wenigen Tagen auf dem Whistleblower-Portal Wikileaks erschien und dessen Echtheit bisher noch unbestätigt ist. Es geht um den Afghanistan-Krieg und um die Frage, wie lange Deutschland und Frankreich als die dritt- und viertgrößten Kräfte die NATO-Mission ISAF noch unterstützen werden und mit welchen Propagandabotschaften die USA einen Rückzug verhindern können.

Der Zerfall der niederländischen Regierung über genau dieselbe Frage lässt den US-Geheimdienst fürchten. Die europäische Unterstützung für ISAF sei „zerbrechlich“, analysiert das Dokument. Zur Zeit seien 80 Prozent der Bevölkerung in Deutschland und Frankreich gegen den Einsatz. Weil weniger als 2 Prozent die ISAF-Mission für besonders wichtig halten, konnte sie bisher politisch durchgesetzt werden. Doch im Vorfeld wichtiger Wahlen seien die Politiker nicht mehr willens, den „politischen Preis für Truppenaufstockungen“ zu zahlen.

Für Deutschland geht es um die Konsequenzen aus dem Bombenangriff in Kunduz und die anstehenden Wahlen in Nordrhein-Westfalen. Die öffentliche Diskussion um den Bombenangriff habe gezeigt, wieviel Druck aufgebaut werden könne, wenn tatsächlich mal über die ISAF-Mission diskutiert wird, so die CIA-Analysten: „Kanzlerin Merkel, die bisher nur zurückhaltend politisches Kapital für Afghanistan verwendet hat, könnte im Vorfeld der Wahl noch zögerlicher werden.“

Deshalb schlagen sie eindeutige Propagandabotschaften vor, um „einen Frühling und Sommer mit höheren militärischen und zivilen Opfern“ akzeptabler zu machen. Ein Scheitern der NATO müsse dramatisiert werden, beispielsweise dadurch, dass Deutschland dann verstärkt „Terrorismus, Opium und Flüchtlinge“ ausgesetzt werde. Gleichzeitig müsse es sympathische Appelle geben, etwa durch den in Westeuropa populären Barack Obama. Wenn Obama den Afghanistan-Krieg öffentlich unterstütze, steige laut CIA die Zustimmung zu einer Truppenaufstockung. Gleichzeitig seien afghanische Frauen „ideale Boten“ um den Erfolgen der ISAF ein menschliches Gesicht zu geben, da sie glaubwürdig über die Unterdrückung durch die Taliban sprechen könnten.

Unklar ist noch, wie ernst die Empfehlungen der CIA genommen werden können. Denn die Analyseabteilung „Red Cell“ ist eher für „unkonventionelle Denkanstöße“ zuständig, als für „maßgebliche Analysen“.

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11 Kommentare

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  • Q
    Querulant

    Eine Propagandakampange für den Afghanistan-Krieg in Deutschland? Könnte funktionieren. Der Pöbel ist beim erstenmal ja auch darauf rein gefallen, erst als die ersten Deutschen in Plastiksäcken heim kamen begannen einigen nachzudenken. Der hierzulande so beliebte Obama könnte das ja wieder zurechtrücken...

  • E
    end.the.occupation

    >> „Öffentliche Gleichgültigkeit erlaubt es Politikern, die Wähler zu ignorieren“, schreibt eine Analysegruppe des US-Geheimdienstes CIA in einem aktuellen Dokument ...

     

    Präziser müsste man von der 'veröffentlichten Gleichgültigkeit' zu sprechen.

     

    Eine Demokratie mit sich selber zensierenden und manipulierenden Staats-Medien - siehe das 'Verschwinden' der BND-Kunduz-Email an das Kanzleramt, siehe die Nahost-Berichterstattung, die fernab jedweder Realität liegt - eine Demokratie mit derart kastrierten Medien ist eben keine Demokratie, sondern Vorstufe einer Diktatur, die jederzeit in Kraft gesetzt werden kann, wenn es das staatliche Interesse gebietet.

     

    (repeated?)

  • E
    end.the.occupation

    >> „Öffentliche Gleichgültigkeit erlaubt es Politikern, die Wähler zu ignorieren“, schreibt eine Analysegruppe des US-Geheimdienstes CIA in einem aktuellen Dokument ...

     

    Präziser müsste man von der 'veröffentlichten Gleichgültigkeit' zu sprechen.

     

    Eine Demokratie mit sich selber zensierenden und manipulierenden Staatsmedien - siehe das 'Verschwinden' der BND-Kunduz-Email an das Kanzleramt, siehe die Nahost-Berichterstattung, die fernab jedweder Realität liegt - eine Demokratie mit derart kastrierten Medien ist eben keine Demokratie, sondern Vorstufe einer Diktatur, die jederzeit in Kraft gesetzt werden kann, wenn es das staatliche Interesse gebietet.

  • M
    miripiri

    Praktischer Weise, findet sich im Dokument auch gleich eine Telefonnummer, bei der mensch mitteilen kann, was er von der Idee mit den "zugeschnittenen Nachrichten" hält:

     

    Comments and queries are

    welcome and may be directed

    to the CIA Red Cell at (703)

    482-6918 / 482-0169 or

    44462/50127, secure.

  • U
    unitard

    Was soll das heißen?

    Noch so'n 11. September, diesmal inszeniert in Deutschland?

  • A
    analyst

    Jeder kann sich in das "Denken" der CIA versetzen: Stelle dir vor du waerst ein Mafioso...

  • KS
    Konstantin Schneider

    Zwar wird sich Thomas de Maiziere hüten nach den Anschlägen von Moskau den Teufel an die Wand zu malen, doch schon die Studie über die Zunahme linksextremistischer Gewalt beweisst ja, dass der Bundesinnenminister gewillt ist, an neuen Drohkulissen zu arbeiten. Allerdings können die Deutschen auch rechnen und wissen deshalb, dass die Inkaufnahme von 50 getöteten Zivilisten pro getötetem Extremisten eindeutig zu hoch ist.

  • A
    anonymous

    Obama die Friedenstaube.

    Ich denke auf folgende Datei bezieht sich der Artikel.

     

    http://file.wikileaks.org/file/cia-afghanistan.pdf

  • O
    Obazda

    Je eher die US-Regierung damit aufhört,

    irgendwelche x-beliebigen Völker in der Welt militärisch

    zu massakrieren, desto eher wird man US-Amerikaner lieben.

    Erst wenn es gute, anhaltende Tradition wird, dass US-Präsidenten keinen Krieg führen und keinen finanzieren, wird man hinter der großkotzigen Militärmaschine auch ein "normales" Volk

    erkennen können. Sonst wäre es eher angebracht, den obersten Repräsentanten als US-Militärgouverneur anzusprechen.

  • B
    BigKelle

    Deutschland 3.0

     

    ne ne

  • JS
    Johan Schreuder

    Sensationell, wie wollen wir Demokratie dahin bombardieren wenn die Politik das Word noch nicht mal mehr buchstabieren kann. 80% ist gegen den Einsatz und trotzdem werden Truppen aufgestockt um noch mehr Zivilisten zu töten.

    PS. die CIA ist mit ein der grössten Opium Dealer.

    Deutschland wach endlich mal auf.