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Geheime Corona-Erlasse in NiedersachsenVerklag' den Staat

Niedersachsens Justizministerium weigert sich, seine Corona-Erlasse zu veröffentlichen. Jetzt klagt die Transparenzorganisation „Frag den Staat“.

Beim niedersächsischen Verwaltungsgericht liegt die Klage gegen das Ministerium nun Foto: dpa

Bremen taz | Die Transparenzorganisation „Frag den Staat“ verklagt das niedersächsische Justizministerium im Eilverfahren. Dieses weigert sich weiterhin, die während der Coronapandemie formulierten Erlasse an die Gerichte zu veröffentlichen.

„Es wurden wahnsinnig viele Erlasse in kurzer Zeit durchgesetzt“, sagt Arne Semsrott, Projektleiter von Frag den Staat und Kläger. „Gerade bei Gerichten hat das Auswirkungen auf Grundrechte.“ So sei etwa der Zugang zu den Gerichten eingeschränkt, was eine öffentliche Kontrolle von Verfahren unmöglich mache. „Daher müssen wir die Erlasse einsehen können.“

Wie die taz berichtete, wollte das Justizministerium genau das aber nicht, weil es sich um „interne Regelungen, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt sind“, handele. Das erklärte Ministeriumssprecher Christian Lauenstein. Die Erlasse würden aber nicht in die richterliche Unabhängigkeit eingreifen. „Ich will einem Sprecher nicht vertrauen müssen“, sagt Semsrott zu den Versicherungen Lauensteins. Und wenn an den Vorwürfen nichts dran sei, spreche nichts gegen eine Veröffentlichung.

Da Niedersachsen als eines von drei Bundesländern immer noch kein Transparenzgesetz hat, ist diese jedoch nicht verpflichtend. Die Klage beruft sich daher auf das Umweltinformationsgesetz. „Corona hat Umweltauswirkungen, da es durch die Luft übertragen wird.“ Und Informationen über die Umwelt – inklusive Luft – müssen auf Anfrage herausgegeben werden, erklärt Semsrott.

Semsrott glaubt an Erfolg der Klage

Lauenstein bestätigt, dass ein Eilverfahren beim Verwaltungsgericht Hannover liegt, welches die Herausgabe von Verwaltungsvorschriften fordert. Einschätzungen zu laufenden Gerichtsverfahren gebe das Ministerium aber grundsätzlich nicht ab.

Semsrott glaubt an den Erfolg der Klage. „Die Herleitung über das Umweltinformationsgesetz ist überzeugend, zudem haben wir in dem Eilverfahren gut nachgewiesen, dass jetzt geltende Erlasse auch jetzt eingesehen werden müssen.“ Eine Entscheidung erwartet er „innerhalb weniger Wochen“.

Ein schnelles Urteil könne einen Präzedenzfall schaffen, der sich auch auf andere Verwaltungen auswirkt. „Durch Corona werden die Probleme mit der mangelnden Transparenz sehr deutlich“, sagt Semsrott. „Ich glaube, dass dieser Fall das sehr gut illustriert.“

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7 Kommentare

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  • Hurra !



    Die Klage ist ja bekanntlich gewonnen!

    Los, raus die Unterlagen! Und das Zack-Zack !

  • 0G
    01054 (Profil gelöscht)

    Generell ist das fehlende Landesgesetz ein Ärgernis, weil man ja auch alles andere nicht bekommt.



    Eigentlich müßte es dafür eine Frist geben und da entsprechende Gesetze auf EU und Bundesebene bestehende, ist nicht zu verstehen, warum Bundesrecht nicht Landesrecht bricht. Wenn EU-Recht nicht umgesetzt wird, kann sich jede/r an die EU-Kommission mit einer Beschwerde wenden, vielleicht ist das ein Weg.

  • Im taz-Artikel vom 14.04.20 war zu lesen: “(…) Christopher Bohlens, Leiter der Regionalgruppe Niedersachsen von Transparency International Deutschland, ist ebenso „unglücklich darüber, dass Niedersachsen als eines von drei Ländern neben Bayern und Sachsen noch kein Transparenzgesetz hat“. (...)



    Gerade die kommunalen Spitzenverbände seien aber die, die sich in Niedersachsen bislang gegen ein IFG wehren, so Bohlens, „da sie einen hohen Arbeitsaufwand fürchten“. (…)

    Hier muss die Frage erlaubt sein, warum die meisten Bundesländer ein Transparenzgesetz besitzen und sich nicht über den damit verbundenen Arbeitsaufwand beklagen?

    • Bruno , Moderator
      @Thomas Brunst:

      Antwort von der Autorin:



      Herzlichen Dank für Ihre Nachfrage. Wie auch in dem von Ihnen zitierten



      Text steht, gibt es Auswertungen, die den Befürchteten Arbeitsaufwand



      nicht bestätigen. Ich zitiere aus dem Text: Dabei zeige eine Evaluierung



      aus Hamburg vor drei Jahren, dass die Verwaltung die größte Nutznießerin



      der Transparenz ist. „Die befürchtete Anfragenflut hat sich nicht



      bestätigt." Das hat mir auch Christopher Bohlens gesagt. Er hat auch angeregt, dass



      man in dem Portal Frag den Staat nachschauen kann, wie viele Anfragen es von Bürger:innen an das Land Niedersachsen bislang gab. Bohlens sagt dazu: "Hier gab es bislang rund 6.000 Anfragen, wovon nur rund 500 nicht zu dem Thema Kontrollberichte zur Hygiene von Restaurants waren. In fünf Jahren ist das wohl keine Flut."

    • @Thomas Brunst:

      Weil diejenigen, die die Transparenzgesetze verabschieden, nicht diejenigen sind, die damit Arbeit haben.

      Dass ein Land Erlasse geheim halten will, zeugt von einer vordemokratischen Haltung. Allgemeine Regelungen der in Rede stehenden Art müssen veröffentlicht werden, keine Frage. Viele Informationsfreiheitsgesetze, z. B. das von NRW, gehen darüber aber weit hinaus. Da muss die Verwaltung u U. sogar über Betriebsgeheimnisse Dritter Auskunft erteilen, wenn der diesem entstehende Schaden "geringfügig" ist (§ 8 IFG NRW). Das eröffnet der gefühlt immer weiter steigenden Zahl der Querulanten ein weites Betätigungsfeld, um die Verwaltung von der Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgaben abzuhalten.

      Die Querulanten sind übrigens häufig "Reichsbürger", "Selbstverwalter" und ähnliche Spinner - bestenfalls; es sind auch Gewaltbereite, Rechtsextremisten und gewaltbereite Rechtsextremisten darunter. Linke Querulanten scheint es kaum zu geben. Soweit die ellenlangen Schreiben, mit denen diese Leute die Behörden bombardieren, politische Inhalte haben, sind diese (jedenfalls nach meiner Erfahrung) nahezu immer dumpfbackenartig rechts.

      • @Budzylein:

        Ja, diese Leute gibt es und sie können - und vermutlich wollen sie das auch - ganze Behörden lahmlegen mit ihren Anfragen.



        Aber das kann doch nicht ernsthaft ein Grund sein, Verwaltungshandeln weiterhin im Dunkeln zu betreiben.



        Was Sie als "viel Arbeit" bezeichnen wäre in erster Linie zu leisten, indem Behörden ihre Anweisungen und Erlasse von vorn herein so gestalten, dass sie für jedermann verständlich und jederzeit vorzeigbar wären. Das ist ein Kulturwandel der da vollzogen werden muss. Aber das wissen die Behörden nicht erst seit heute. Wer rechtzeitig seine Kultur verändert hat, hat heute kein Problem, denn er kann den anfragenden Querulanten auf Knopfdruck die einschlägigen Regelungen direkt zur Verfügung stellen.



        Wer das bisher verpennt hat, muss büßen - zu Recht meine ich.

        • @Life is Life:

          Volle Zustimmung, aber das hatte ich ja auch gesagt: Erlasse und ähnliche allgemeine Regelungen müssen transparent (und vorzeigbar) sein. Und diese Transparenz macht in der Tat auch wenig Arbeit. Meine Kritik an den Transparenzgesetzen bezog sich allein auf die viel zu weit gefassten Auskunftsansprüche, mit denen Querulanten sich praktisch in jedes Behördenhandeln in Einzelfällen einmischen können, auch wenn sie selbst gar nicht davon betroffen sind, sondern nur irgendwoher gehört haben, dass es angeblich irgendwas gibt, das sie interessieren könnte.