Gegen die Verdrängung: Biete Geld für arme Mieter
Bausenator Michael Müller (SPD) will für 1 Million Euro Belegungsbindungen von Vermietern kaufen. Damit sollen Geringverdiener in der Innenstadt bleiben können.
Bausenator Michael Müller (SPD) will Geringverdiener in der Innenstadt halten. Um künftig mehr Wohnungen an Inhaber eines Wohnberechtigungsscheins (WBS) vergeben zu können, will Müllers Verwaltung sogenannte Belegungsbindungen kaufen. Für ein entsprechendes Pilotprojekt hat die Investitionsbank Berlin nun 1 Million Euro zur Verfügung gestellt.
„Neben dem Neubau ist der Wohnungsbestand eine wichtige Säule der Wohnungspolitik“, sagte Müller der taz. „Dabei wollen wir alle Möglichkeiten nutzen, die sich uns bieten.“ Bis Ende August können sich private Wohnungseigentümer deshalb bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung melden. Sind sie bereit, eine leer stehende Wohnung in der Innenstadt an Inhaber eines WBS mit besonderem Wohnbedarf zu vermieten, fördert die Verwaltung das mit 2 Euro pro Quadratmeter. Die Dauer der Bindung soll zehn Jahre betragen.
Es wäre ein Geben und Nehmen: Für eine 100 Quadratmeter große Wohnung bekäme der Eigentümer monatlich 200 Euro Zuschuss. Auf zehn Jahre gerechnet, summiert sich das auf 24.000 Euro. Einzige Voraussetzung: Die Wohnung soll zur ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel vermietet werden. Mehr als 6 Euro pro Quadratmeter darf die Kaltmiete dabei nicht übersteigen. Die Förderung deckt damit etwa die Spanne zwischen dem Mietspiegel und den Angebotsmieten für leer stehende Wohnungen, die im Schnitt bei 8 Euro pro Quadratmeter liegen.
Und noch einen Anreiz für die Vermieter gibt es: Der Zuschuss wird für den gesamten Zeitraum bereits zu Beginn ausgezahlt – als Darlehen. „Bei bestimmungsmäßiger Einhaltung der Belegungsbindungen“, heißt es bei der Stadtentwicklungsbehörde, werde das Darlehen dann in einen Zuschuss umgewandelt. Städtische Gesellschaften oder Eigentümer, die bereits Fördergelder erhalten hatten, sind von dem Verfahren ausgenommen.
„Wir wollen mit dem Pilotprojekt herausfinden, wie der Markt auf ein solches Angebot reagiert“, sagte Müller. Bereits im Bündnis für soziales Wohnen, das der Senator mit den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften im September 2012 geschlossen hat, ist eine bevorzugte Vergabe an WBS-Inhaber beschlossen worden. Innerhalb des S-Bahn-Rings muss jede zweite Wohnung an Bedürftige vermietet werden, außerhalb jede dritte. Die jetzige Regelung geht aber noch einen Schritt weiter: Einen Wohnberechtigungsschein mit „besonderem Wohnbedarf“ bekommen vor allem Haushalte in Notlagen, unter ihnen Familien in räumlich unzureichenden Wohnverhältnissen, Obdachlose und Schwerbehinderte. Ein Fünftel der derzeit 27.000 WBS-Inhaber erfüllt diese Kriterien.
Die Opposition begrüßte den Vorstoß: „Berlin braucht Wohnungen für Leute mit wenig Geld. Also muss man das mal ausprobieren“, sagte der baupolitische Sprecher der Grünen, Andreas Otto. Er würde es aber begrüßen, wenn die Bezirke ein Mitspracherecht bei der Belegung hätten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste