Gegen die Kreditklemme: Versicherer sollen mutiger werden
Unternehmen sind auf Kreditversicherer angewiesen, doch derzeit agieren diese nur noch zögerlich. Nun will die Bundesregierung mit einem Schutzschirm helfen.
HAMBURG taz | Ein Schutzschirm für private Kreditversicherungen soll die Kreditklemme abmildern. Die Bundesregierung reagiert damit auf Hilferufe der Wirtschaft. Sie beklagt, die Kreditversicherer wollten nicht mehr einspringen, wenn Firmen in Zahlungsschwierigkeiten geraten.
Im Alltag der Wirtschaft sorgen Kreditversicherer für einen steten Fluss der Waren. Mit ihren Policen schützen sich Betriebe vor Kunden, die ihre Rechnung nicht bezahlen können. Ohne eine solche Absicherung durch die Assekuranz würde der Lieferant X vom Abnehmer Y üppige Vorauszahlung oder handfeste Sicherheiten verlangen. Ohne private Kreditversicherung würde der Handel stocken.
So weit scheint es nun gekommen zu sein. Neben der gefühlten Kreditklemme belaste zusätzlich das Bremsverhalten der Kreditversicherer die deutschen Unternehmen, beklagt beispielsweise der Verband der Stahl- und Metallverarbeitung. Die finanzielle Absicherung der Warenströme haben die Kreditversicherer "mit Beginn der Krise nahezu aufgegeben", kritisiert Hauptgeschäftsführer Andreas Möhlenkamp.
Auch andere Lobbyvereinigungen der Wirtschaft wie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHT) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zetern laut über eine Versicherungsklemme.
In Deutschland haben sich 40.000 Unternehmen gegen mögliche Forderungsausfälle versichert - das ist jeder fünfte Betrieb, der dafür überhaupt in Frage kommt. Insgesamt beträgt das Deckungsvolumen über 250 Milliarden Euro. Das Geschäft teilen sich drei Anbieter. Weltmarktführer Euler Hermes, eine Tochtergesellschaft der Allianz, beherrscht den deutschen Markt mit einem Anteil von knapp 50 Prozent. Ins öffentliche Gerede kam die Branche durch die Karstadt-Pleite.
Kurz bevor der in Arcandor umbenannte Warenhauskonzern seinen Insolvenzantrag stellte, erhöhte Euler Hermes den Selbstbehalt. Zulieferer mussten fortan 40 statt 25 Prozent abschreiben, falls Arcandor zahlungsunfähig würde. Der Versicherungskonzern rechtfertigt sich damit, solche Maßnahmen gehörten dazu, wenn sich die Risikosituation dramatisch verschlechtere.
Aber die Finanzbranche hat nicht nur in vielen Fällen den Selbstbehalt weit über die in guten Zeiten üblichen 20 Prozent hinaus erhöht, sondern sie vergibt insgesamt weniger Warenkreditversicherungen. Das Deckungsvolumen wurde um etwa 25 Milliarden Euro heruntergefahren. Die Sicherheitsbranche verteidigt sich mit dem Hinweis auf die Krise und gesunkene Handelsumsätze in der Wirtschaft. "Das Verhalten der Kreditversicherer ist nicht Ursache der Krise, es beschleunigt sie auch nicht", wiegelt der Versicherungsverband GDV ab.
Verantwortlich für den zähen Zahlungsstrom sind auch die Firmen selber. Seit langem nimmt die Zahlungsmoral in der Wirtschaft ab. Inzwischen zahlt nur noch eine Minderheit der Betriebe ihre Rechnungen pünktlich. Zwischen Lieferung und Bezahlung liegt oft mehr als ein halbes Jahr.
Doch zögerliche Kreditversicherer bremsen die krisengebeutelte Konjunktur zusätzlich. Bereits im Mai soll das Bundeswirtschaftsministerium daher mit den Kreditversicherern eine Arbeitsgruppe gebildet haben, um über staatliche Rettungstaten nachzudenken. Dies stößt auch bei der Opposition auf Verständnis: "Das Problem ist, dass nicht die Finanzwirtschaft, sondern die Realwirtschaft die Verspannungen aushalten muss", erklärt der Ökonom und Finanzexperte der Linksfraktion im Bundestag, Axel Troost.
Umstritten in der rot-schwarzen Bundesregierung ist, in welchem Umfang der Staat den Selbstbehalt übernehmen soll oder ob er sogar Unternehmen absichern soll, welche Kreditversicherer längst abgeschrieben haben. Am Donnerstag tagte der Lenkungsausschuss des "Wirtschaftsfonds Deutschland", der das 115 Milliarden Euro starke Kredit- und Bürgschaftsprogramm der Bundesregierung verwaltet. Dort sollten die Details des Rettungsschirmes geklärt werden.
HERMANNUS PFEIFFER
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