„Gegen Trump“ von Naomi Klein: Verrutschte Maßstäbe
Globalisierungskritikerin Naomi Klein analysiert treffend Trumps Schock-Politik. Ihre Suche nach Strategien des Widerstands ist weniger überzeugend.
Als Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde, erkannte Naomi Klein ihn wieder. Wie das Monster des Frankenstein erschien er ihr: zusammengenäht aus vielen gefährlichen Trends des Kapitalismus – Trends, über die Klein schon seit Jahrzehnten schreibt. In nur wenigen Monaten entstand ihr neues Buch, „Gegen Trump“. Ihr Buch argumentiert, dass Trump nicht eine Ausnahmeerscheinung, sondern eine logische Folge des Kapitalismus, wie er seit gut 50 Jahren praktiziert wird, ist.
Kleins Buch bietet einleuchtende Erklärungen für das Phänomen Donald Trump. So hält Naomi Klein den ersten Teil ihres Untertitels, „Wie es dazu kam und was wir jetzt tun müssen“, eindrucksvoll ein. Der zweite Teil ist dafür umso enttäuschender: Die Klarheit der Analyse weicht vagen und allgemeinen Ideen zur Bekämpfung der neoliberalen Ausbeutung. Wer Naomi Kleins Werk verfolgt hat, wird viel wiedererkennen – wie Klein selbst auch zugibt. Der Aufstieg Trumps hat ihr Gelegenheit geboten, die Themen ihrer bisherigen Bücher zusammenzudenken.
Trump ist eine jener Megamarken, wie sie Klein in „No Logo“ beschrieben hat. Schon lange produzieren Sportlabels ihre Turnschuhe nicht mehr selbst – ihr Beitrag ist das Firmenlogo, das groß auf die Schuhe gedruckt wird. Mit präzise ausgerichteter Werbung erzeugen sie ein Lebensgefühl, das sie mit ihren Produkten verkaufen: Wer sich sportlich fühlen will, muss nicht etwa Sport machen, sondern diese Marken kaufen.
Dieses Prinzip nutzt auch Trump: Bauprojekte tragen oft seinen Namen, ohne dass er beteiligt wäre. Trump inszeniert sich als reich und verkauft das Lebensgefühl, reich zu sein: In Trump-Wohnungen, -Hotels, -Steaks, -Flügen und -Universitätskursen. Aus dieser Logik ist die Präsidentschaft die letzte naheliegende PR-Aktion, schreibt Klein: „Das hohe Amt ist nichts anderes, als die krönende Verbreiterung seiner Markenbasis.“
Ist das überhaupt noch ein Skandal?
Trump ist zugleich selbst Schock als auch Agent der „Schock-Strategie“, wie Klein sie in ihrem gleichnamigen Buch beschrieben hat. Gesellschaften lassen sich nach einem tiefen Schock, wie einem Krieg oder einer Naturkatastrophe, leichter ausbeuten, beobachtete sie dort. In Pinochets Chile, Russland nach dem Zusammenbruch des Sozialismus und in vielen anderen Beispielen kam diese Strategie zum Tragen: Inmitten eines Umbruchs, wenn die Bevölkerung tief verunsichert ist, wird der Gemeinbesitz an Privatpersonen und Konzerne verscherbelt. Die Schock-Strategen versprechen Demokratie und Freiheit, tatsächlich bringen sie aber zur Durchsetzung der Privatisierung autoritäre Herrschaft mit sich.
Naomi Klein: „Gegen Trump. Wie es dazu kam und was wir jetzt tun müssen“. S. Fischer, Frankfurt/M. 2017, 368 S., 22 Euro
Trumps ständige Provokationen verzerren Maßstäbe: Wenn ein US-Präsident Folter für in Ordnung hält, ist es dann noch ein Skandal, dass er die Krankenversicherung abschaffen und eine rassistische Einwanderungspolitik einführen will? Kann man in einem Dauerfeuer von Skandalen leben, ohne abzustumpfen? Zugleich ist Trumps Kabinett voller „Schock-Strategen“. Auch hier verliert man einen Sinn für Maßstäbe: Wenn ein Klimawandelleugner das Klimaressort leitet und ein Ölboss das Außenministerium – ist es dann noch ein Skandal, dass Trump seine wirtschaftlichen Interessen nicht offenlegt?
Zum Ende des Buchs versucht Klein dieses Verrutschen der Maßstäbe und die Lähmung durch den Dauerskandal Trump zu durchbrechen. Sie verweist auf Bewegungen in zahlreichen Ländern, die erfolgreich der Schock-Strategie die Stirn boten – doch viele der Beispiele fühlen sich beschönigend an.
Ist ein „Airbnb für Flüchtlinge“ in Deutschland wirklich ein Zeichen von Hoffnung, obwohl es einen rassistischen Backlash gibt? Ist die Niederlage Marine Le Pens in Frankreich wirklich ein Sieg – oder sind die vielen Stimmen für sie bereits eine Niederlage? Dass nach dem „Nein“ gegen Trump ein „Ja“ für eine bessere Welt kommen muss, dass diese auf der Fürsorge füreinander und für die Umwelt basieren muss, bleiben kaum entwickelte Slogans.
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