Gegen Massendemonstrationen im Iran: Revolutionsgarde droht Protestlern
Irans Revolutionsgarden haben angekündigt, Straßenproteste kompromisslos niederzuschlagen. Dennoch demonstrierten am Montag Hunderte in Teheran.
HAMBURG/TEHERAN dpa/reuters | Im Iran kündigt sich eine neue Eskalation der Gewalt an: Die iranischen Revolutionsgarden haben angekündigt, neue Straßenproteste in Teheran kompromisslos niederzuschlagen. Auf jede nicht genehmigte Demonstration werde auf "revolutionäre Weise" reagiert, heißt es in einem Statement der Revolutionsgarden vom Montag. Die Eliteeinheit untersteht Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei, der im Iran als nahezu allmächtig gilt. Chamenei hat am vorigen Freitag dazu aufgerufen, die Demonstrationen zu unterlassen und der Oppositionsforderung nach Neuwahlen eine Absage erteilt.
Den Drohungen zum Trotz demonstrierten am Montag erneut mehrere hundert Anhänger der Opposition gegen das amtliche Ergebnis der umstrittenen Präsidentenwahl. Die Opposition hatte für Montag erneut Proteste angekündigt, nachdem es am Sonntag in den Straßen der iranischen Hauptstadt vergleichsweise ruhig geblieben war. Die Demonstranten sollten das Aufblendlicht ihrer Autoscheinwerfer auf den Straßen einschalten, zum Zeichen des Protestes gegen den Wahlausgang.
Angesichts der Kritik des Westens an dem Vorgehen Teherans nach der Wiederwahl des ultrakonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad erwägt der Iran die Ausweisung europäischer Diplomaten. Außenamtssprecher Hassan Ghaschghawi sagte am Montag in Teheran, über diese Maßnahme werde derzeit in seinem Haus sowie im Parlament beraten. Außenminister Munacher Mottaki werde deswegen im Laufe des Tages mit dem zuständigen Parlamentsausschuss sprechen.
Die Bundesregierung hat inzwischen den iranischen Botschafter in Berlin zur "Erläuterung" der Aussagen über die künftigen Beziehungen in das Auswärtige Amt "eingeladen". Das sagte der Ministeriumssprecher. Der Botschafter wurde allerdings nicht einbestellt. Der Sprecher des Außenministeriums sagte ferner, auch die Regierungen in Paris und London würden von den jeweiligen Botschaftern "Erläuterungen" fordern. Die iranische Regierung hatte am Wochenende angekündigt, die Beziehungen zu den USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland zu überprüfen.
Die Europäische Union erneuerte ihre scharfe Kritik an der iranischen Führung. "Wir verurteilen die Todesfälle sehr scharf", sagte Schwedens Außenminister Carl Bildt mit Bezug auf getötete Demonstranten. Bildt, der vom 1. Juli an bis zum Jahresende den Vorsitz im EU-Außenministerrat führt, forderte zugleich eine Untersuchung der Zweifel an der Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad. "Es liegt bei ihnen (den Iranern), die Glaubwürdigkeit ihres politischen Prozesses zu beweisen", sagte er.
Präsident Ahmadinedschad warnte die westlichen Staaten vor einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Iran. US-Präsident Obama und den britischen Premier Gordon Brown forderte er auf, ihre "interventionistische Haltung" zu korrigieren. Mit ihren "voreiligen Kommentaren" gehörten sie nicht zu den Freunden der Iraner, zitierte die Nachrichtenagentur ISNA Ahmadinedschad.
Der politisch einflussreiche Wächterrat hatte zuvor Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen am 12.Juni im Iran festgestellt. Wie der iranische Fernsehsender Press TV am Sonntag auf seiner Internetseite berichtete, habe es in 50 Städten mehr Wähler als Wahlberechtigte gegeben. Der Sprecher des Wächterrates sagte im Fernsehsendder IRIB, die Unregelmäßigkeiten beträfen mehr als drei Millionen Stimmen. Es müsse jedoch noch geprüft werden, ob diese Stimmen für den umstrittenen Wahlausgang entscheidend gewesen seien, betonte der Sprecher.
Präsident Mahmud Ahmadinedschad hatte nach offiziellen Angaben bei der Wahl fast 63 Prozent der Stimmen erhalten, der Oppositionskandidat Mir Hussein Mussawi kam auf lediglich 34 Prozent.
Mussawi rief am Sonntagabend seine Anhänbger zur Fortsetzung der Proteste auf. Die Iraner hätten das Recht, gegen Lügen und Fälschungen bei der Abstimmung zu protestieren, hieß es am Sonntag auf der Internetseite des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten. Er forderte seine Anhänger aber zur Zurückhaltung auf, um weitere Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften zu vermeiden.
Außerdem warf der offiziell unterlegene Präsidentschaftskandidat der Regierung vor, für den Tod von mindestens 10 Demonstranten bei der Kundgebung am Samstag in Teheran verantwortlich zu sein. Die Weigerung des Innenministeriums, die Demonstration zu erklagen, habe erst zu den gewaltsamen Zusammenstößen geführt. Nach einer offiziellen Bilanz wurden Hunderte Menschen verletzt und mehr als 450 festgenommen. In Oppositionskreisen ist von mindestens 200 weiteren Festnahmen die Rede.
Unterdessen verdichten sich die Anzeichen für einen Machtkampf in der iranischen Führungselite hinter den Kulissen. Die arabische Zeitung "Al-Sharq Al-Awsat" berichtete unter Berufung auf "hochrangige" Informanten, der frühere Präsident Ali Akbar Rafsandschani führe seit Tagen in der Stadt Qom, dem religiösen Zentrum des Landes, intensive Gespräche mit einflussreichen Geistlichen. Er versuche, sie für einen Plan zu gewinnen, mit dem die Macht Chameneis beschnitten werden könnte. Hinter dem konservativen Chamenei gehört der reformorientierte Rafsandschani zu den einflussreichsten Größen in der Islamischen Republik.
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