Geflüchtete in Tschechien: Willkommen mit Handschellen
Tschechien will Flüchtlinge aufnehmen. Aber nicht mehr als 1.500. Meist werden die Menschen wie Verbrecher behandelt.
Die Tschechen gehen die Flüchtlingskrise nicht zimperlich an. Wer erwischt wird, muss damit rechnen, wie ein Schwerverbrecher behandelt zu werden. In Handfesseln werden sie zu gut gesicherten Flüchtlingsheimen gebracht, bis sie wieder laufen gelassen oder abgeschoben werden.
„Es kommen zwar immer mehr Flüchtlinge, aber wir fassen täglich manchmal Hunderte“, rühmt sich Tschechiens Polizeipräsident Tomaš Tuhý. Der reale Durchschnitt aber belaufe sich auf 30, fügt er schnell hinzu. „Noch vor ein paar Monaten waren es dabei um die 15, die Zahlen steigen also, und zwar schnell“, sagt Tuhý.
Wie hoch der Anstieg im Vergleich zu 2014 sein wird, als 2.500 Flüchtlinge erwischt wurden, bleibt abzusehen. Selbst unter Schleusern gilt das Land als äußerst unbeliebt. „Die Tschechische Republik hat den Ruf, dass ihre Polizei und ihre Staatsorgane sehr rasant reagieren. Daher riskieren viele Schlepper den Weg durch unser Land erst gar nicht, sondern suchen sich eine bequemere Route“, meint Tomáš Haišmann, Leiter des Referats Asylpolitik beim tschechischen Innenministerium. Tschechien gibt sich als einer der härtesten Gegner europäischer Flüchtlingsquoten. Freiwillig würde man aber so um die 1.500 aufnehmen, ließ Ministerpräsident Bohuslav Sobotka in Brüssel verlauten.
Bis zu 200.000 Flüchtlinge wollen ins Land kommen, titelte hingegen die Tageszeitung Mladá Fronta Dnes, die dem Vize-Ministerpräsidenten und Finanzminister Andrej Babis gehört. Umfragen belegen zwar, dass kaum ein Flüchtling in Tschechien bleiben will.
Das Thema aber bietet hier genug politischen Zündstoff. „Niemand hat euch hierher eingeladen“, sagte kürzlich Staatspräsident Miloš Zeman. Damit drückt er aus, was 80 Prozent der Bevölkerung glauben. Das Land ist von einer teils lächerlichen Hysterie gepackt. So wird nahezu jeder Flüchtling mit Dschihadisten gleichgesetzt. Ob in der Politik, den Massenmedien oder den sozialen Netzwerken.
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