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Geflüchtete in DänemarkBloß schnell weg

Bespuckt und drangsaliert: Dänemark zeigt, dass Flüchtlinge nicht willkommen sind. Es gibt aber auch private Hilfe.

Auf dem Weg nach Schweden: Auch in Dänemark machen sich Flüchtlinge zu Fuß auf den Weg Foto: reuters

Stockholm taz | Montagmittag, 13.30 Uhr. Ein Ehepaar mittleren Alters steht auf einer Brücke über der Autobahn E 47 gleich hinter der Fähranlegestelle Rødby. Dort legen im Halbstundentakt die Fährschiffe aus dem deutschen Puttgarden an. Eine Gruppe von Flüchtlingen, die auf dem Weg nach Schweden war, aber von der dänischen Polizei aus dem Zug von Hamburg nach Kopenhagen gezwungen wurde, um sich registrieren zu lassen, hat diese Prozedur verweigert.

Stattdessen sind die Menschen wild entschlossen, die 195 Kilometer nach Malmö einfach zu Fuss zu laufen. Während die Frau den sich nähernden Flüchtlingstrupp, aus dem heraus einige „Malmö, Malmö“ skandieren, mit ihrem Smartphone fotografiert, spuckt der Mann plötzlich hinunter und ruft dann, sie sollten sich nach Hause machen.

Das Spuck-Bild wurde am Dienstag Tausendfach in den sozialen Medien geteilt, nachdem die linke Tageszeitung Information es am gleichen Tag im Zusammenhang mit einer Reportage über die Vorgänge in Rødby veröffentlicht hatte. Dort sind seit Sonntag über Deutschland mehr als Tausend vorwiegend syrische Flüchtlinge angekommen, die eigentlich keinen anderen Wunsch haben, als Dänemark so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Die meisten mit den Zügen aus Hamburg und mit Bahntickets ins südschwedische Malmö.

In Dänemark will kaum jemand bleiben, eher scheinen sie Angst vor diesem Land zu haben. Sie haben gehört, wie Flüchtlinge hier behandelt werden und wissen, dass sie allenfalls eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erhalten. Die kann dann zwar verlängert werden, aber ihre Familien dürfen sie im ersten Jahr nicht nachkommen lassen. Anders ist es in Schweden, das syrischen Flüchtlingen schon seit 2 Jahren gleich automatisch ein dauerhaftes Bleiberecht gewährt und wo es kaum Hindernisse bei der Familienzusammenführung gibt.

Vor der Registrierung verschwunden

Doch obwohl sich das offizielle Dänemark ansonsten mit Händen und Füssen gegen Flüchtlinge wehrt und die Regierung ausgerechnet gerade an diesem Montag wieder eine neue Abschreckungskampagne mit Annoncen in libanesischen Zeitungen gestartet hat, scheint die Polizei jedenfalls in Rødby die Anweisung bekommen zu haben, den aus Deutschland Ankommenden die Fingerabdrücke zu nehmen und sie als Asylsuchende in Dänemark zu registrieren.

Am Dienstag meldete die dänische Polizei, dass mehrere Hundert Flüchtlinge, die die deutsch-dänische Grenze überschritten hätten und die eigentlich registriert werden sollten, „verschwunden“ seien. Offenbar schafften es viele mit Regionalzügen nach Kopenhagen oder wurden von hilfsbereiten Autofahren mitgenommen. Ein Verstoss gegen das Ausländergesetz, der mit Geldbusse und Haft bis zu zwei Jahren bestraft werden könne.

Kristian Thulesen Dahl, Vorsitzender der rechtspopulistischen Fortschrittspartei spricht von „unhaltbaren Zuständen“. Es gehe nicht an, dass sich „Illegale“ einfach so in Dänemark bewegen könnten. Und er fordert die Wiedereinführung lückenloser Grenzkontrollen. Die gibt es nicht und nach Aussagen von Flüchtlingen, die es nach Schweden schafften, scheint vor allem der Weg über die deutsch-dänische Grenze zwischen Flensburg und Padborg bislang relativ unproblematisch zu sein. Dort sei auch in Zügen nicht kontrolliert worden.

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13 Kommentare

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  • Ja! Wenn es nicht so traurig wär´.. dann könnt darüber gelacht werden!

    Es existiert eine grausame Kluft zwischen der "Realpolitischen" Regierungskoalition von Rechtsliberalen und der Ultrarechten `dansk folkeparti´ DF und der Meinung des Volkes!

    Eine art Konflikt zwischen ideologischer(rechter) Realpolitik und der Wirklichkeit!

    Die Wirklichkeit der gemarterten Flüchtlinge fordert simple humane Hilfe und Solidarität..

    Die "Realpolitik" versucht bürgerliche Kälte, Ignoranz, Ablehnung, Antihumanismus gegen die hilflosen Flüchtlinge, im Volk zu verbreiten.

    Zum anderen liegt eine Schuld der Teilnahme Dänemarks am USA etc. Krieg gegen den Iraq 2003/4 auf den Schultern der DK Realpolitik.

    Es formiert sich eine art `humanistischer Widerstand´ gegen die verfehlte Realpolitik., der von grossen Teilen der Menschen in DK getragen ist. Wie es auch (leider..) Rechte, Flüchtlingefeindliche Gruppierungen gibt (DF), die die realpolitische Regierungsautorität mittragen.

    Es ist m.E. anzunehmen, das die Rechte Regierung einlenkt, oder durch ein Misstrauensvotum abgewählt wird.

    Weil der dänische Imageverlust im Ausland bedrohlich wirkt, und weil das allgemein human/solidarisch/ friedliche dänische Volk der realpolitisch/inhumanen Bevormundung durch die "undänische" Regierung müde ist...

    • @vergessene Liebe:

      Ich glaube sie machen sich ihre eigene Wirklichkeit. Die jetzige Regierung ist im Juni genau mit der Aussage ""Wir wünschen uns ein Dänemark, in dem es wirtschaftlichen Aufschwung im ganzen Land gibt, in dem es sich lohnt, zu arbeiten und wir wünschen uns ein Dänemark, in dem wir die Asylströme begrenzen, um Integration zu sichern." gewählt wurden.

      Und da glauben sie ein Einlenken bzw ein Misstrauensvotum?

      • @hansen hansen:

        Nee @HH ! Les mal richtig wat ich meine: Heute hat sich in DK gezeigt das die "Realpolitik" mit den Wünschen nach Begrenzung der Asylströme.. tragisch an der WIRKLICHKEIT der Flut der Flüchtlinge scheitert! Ein weiteres Festhalten an den harten Regeln für Asylanten und Flüchtlinge wird das `humanistische Selbstwertgefühl´der dänischen Kultur im Kern treffen!

        Die `Kalte Realpolitik´ ist im Clinch mit dem humanen Solidaritätsgefühl der Bevölkerung( ..zuletzt bestimmt die WIRKLICHKEIT der Empfindung der Bevölkerung die Leitlinien der "Realpolitik" !) Ohne Einlenken stehen viele traumatisierte, müde und angstvolle Flüchtlinge, Kinder, Frauen und Männer in einer grausamen Situation!

  • 7G
    70023 (Profil gelöscht)

    Also, machen wir uns nicht vor. Das Europa zeigt seine häßlische Gesicht. Gott sei Dank, dass ich nicht Europäer bin und es ist mir auch klar der Umgang von Deutschland und von Österreich mit Flüchtlinge eine Ausnahme ist. Es hat mit der Geschichte von diesen Ländern zutun. Ich hoffe es, dass die Stimmung in den beiden Ländern nicht umkippt, was so häßlich angefangen hat, findet ein schönes Ende für Flüchtlinge. Mit diesen humanitären vorbildlichen Verhalten von Deutschland und Österreich schreiben sie eine Weltgeschichte. Wenn wir zusammen halten, gibt es kein Problem in diesem Land, daß wir nicht schaffen können.

    Wir die Kanzlerin gesagt hat. Wir schaffen es gemeinsam.

    • @70023 (Profil gelöscht):

      Zitat Achie : "Ich bin selbst ein Akademiker und weder arbeitlos noch arm und zuletzt habe ich bei Bundestagwahl 1998 gewählt"

      Jetzt erklärt sich, warum Sie seitdem nicht mehr gewählt haben; Sie sind ja kein Europäer mehr.

    • @70023 (Profil gelöscht):

      " Gott sei Dank, dass ich nicht Europäer bin.." versus "Wenn wir zusammen halten...,"

      Das "Wir" ist in Ersterem schon gestorben.

    • @70023 (Profil gelöscht):

      Bezüglich Ihrem "Gott sei Dank dass ich nicht Europäer bin": Alle anderen Kontinente gehen schlechter mit Flücktlingen um. Ihr Hass gegen Europäer kann also nur daher rühren das Sie Europa mit strengeren Maßstäben messen.

       

      Das ist mit verlaub schlichtweg Rassismus.

    • @70023 (Profil gelöscht):

      Sie schreiben "Gott sei Dank, dass ich nicht Europäer bin". Warum Gott sei Dank? Und wo fühlen Sie sich stattdessen zugehörig?

       

      Das Bewußtsein Österreichs für seine Nazi-Vergangenheit ist in der dortigen Bevölkerung übrigens bei weitem nicht so breit verankert wie in Deutschland. Ihre Annahme, dass das Verhalten der Menschen in beiden Ländern nur mit der Geschichte zu tun hat, bezweifele ich (nicht nur deshalb).

       

      Mein persönlicher Eindruck ist, dass es zur Zeit einen politisch und medial beflügelten Zustand der Willkommensbesoffenheit gibt, der wahrscheinlich ziemlich bald in einen Kater umkippen wird. Das alles hat einen unangenehmen Happening-Charakter.

       

      Mit einer skeptischen, dafür aber dauerhaft belastbaren Hilfsbereitschaft wäre mir sehr viel wohler.

      • 7G
        70023 (Profil gelöscht)
        @Marzipan:

        Ich bin ein Weltbürger. Ich fühle mich am Wohlsten in Südasien. Meine Frau ist Österreicherin und ich habe viele österreichische Freunde. Das Bewußtsein Österreichs für seine Nazi-Vergangenheit ist in der bei weitem breit verankert aber die Österreicher haben nicht die Fähigkeit zuzugeben. Wenn man mit Österreicher darauf anspricht. Es waren die Deutschen. Sie haben uns gezwungen mit zu machen. Mit der Geschichte meine ich wegen ihrer Geschichte Verantwortung übernehmen. D.h. dahinter steckt das Bedürfnis Wiedergutmachungsgefühl. Für die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge in Deutschland freue ich mich Wahnsinn. Es ist mir auch klar, dass euphorie nicht ewig weiter geht aber dass die Stimmung in der Bevölkerung nicht auf die andere Seite umschlägt.

  • Na, dass wir malm sympathischer rüberkommen als die Dänen, wer hätte das gedacht? Hier aber auch noch mal was Nachdenkliches zur Integration von Flüchtlingen in Deutschland: http://wp.me/p14g2B-ys

    • @Rouven Polanski:

      Ich lebe im deutsch-dänischen Grenzraum und kann Ihnen versichern, dass seit langem schon Dänemark bzw. viele Dänen bei weitem nicht der verbreiteten Vorstellung von den liberalen, sozial verantwortlich handelnden Skandinaviern entsprechen.

      • @Marzipan:

        Ja, man konnte davon in den vergangenen Jahren schon drüber lesen...

         

        Aber das "freundliche" Bild bleibt für Mitteleuropäer wohl erhalten, sicher auch deshalb, weil viele dort auch gerne Urlaub machen. Und zu Touristen ist man auch immer etwas "scheinfreundlicher", weil die ja Geld einbringen und schnell wieder weg sind.

         

        Was ist eigentlich mit Christiana?

  • Kristian Thulesen Dahl ist schon lange nicht mehr in der Fortschrittspartei (Fremskridtspartiet), die schon 1999 aus dem Folketing flog und seither keine große Rolle mehr spielt.

    Es ist schlimmer: Er ist Vorsitzender der Dänischen Volkspartei (Dansk Folkeparti), die bei der letzten Folketingwahl (2015) zweitstärkste, bei der Europawahl 2014 sogar stärkste Kraft in Dänemark wurde.