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Geflüchtete in Bosnien und HerzegowinaLipa ist ein Albtraum

Der Plan, das Lager Lipa aufzulösen und die Menschen auf andere Unterkünfte zu verteilen, scheiterte. Jetzt soll das Camp winterfest gemacht werden.

Migranten im Lager Lipa beobachten bosnische Soldaten beim Aufbau der Zelte Foto: Kemal Softic/ap

Split taz | Regen, Kälte, Hunger, Dreck: 900 Migranten harren weiter im provisorischen Lager von Lipa im Nordwesten Bosnien und Herzegowinas aus. Auch wenn die bosnische Armee seit Samstag Armeezelte aufgebaut hat, ist die Lage im Vergleich zur Vorwoche kaum besser. Es gibt keine sanitären Anlagen und keine Gelegenheit zum Kochen oder zum Schlafen im Trockenen, denn auch die Armeezelte werden im Dauerregen feucht.

Lipa heißt im dalmatinischen Dialekt „schön“. Die Schönheit dieses Landstrichs aber hat sich für diese Menschen zum Albtraum gewandelt. Mindestens 800 weitere irren in Lipas Umland umher, darunter sollen auch Kinder sein. Insgesamt sollen sich 8.500 Migranten in Bosnien aufhalten.

Da hilft es auch kaum, dass am Sonntag eine Delegation bestehend aus dem Sicherheitsminister Selmo Cikotić, dem Verteidigungsminister Sifet Podžić und einigen Mitarbeitern internationaler Organisationen vorbeikam und eine Verbesserung der Lage versprach. Das Lager soll nun winterfest ausgebaut werden, soll Wasser- und Stromleitungen und sanitäre Anlagen erhalten.

Aber wann? Die ursprüngliche Idee des Sicherheitsministers war, das Lager Lipa aufzulösen und die Insassen über den Winter nach Bihać in die beheizbaren Fabrikhallen der Firma Bira zu bringen. Dieses Lager diente bis letzten Sommer als Lager für Migranten, wurde aber von der Stadt geschlossen, weil es zu massiven Bürgerprotesten gekommen war.

Keine Alternative

Am 21. Dezember wurde Lipa aufgelöst, den Menschen wurde aber keine Alternative geboten. Migranten zündeten die Zelte an. Die Stadt Bihać weigerte sich trotz des Drucks des Ministerrates, des Sicherheitsministers, der EU-Delegation unter Johann Sattler und der UN-Flüchtlingsorganisation IOM, Bira wieder zu öffnen und Migranten aufzunehmen.

Auch andere Gemeinden winkten ab, Demonstranten versperrten den Weg in eine leer stehende Kaserne in dem Ort Bradina nahe Sarajevo. Und in Sarajevo sind die Einrichtungen für Migranten ohnehin überfüllt. So kehrten die Busse mit den Migranten wieder um. Seither sitzen 900 Menschen wieder in Lipa.

Der Ministerrat hat sich gegenüber den Gemeinden nicht durchsetzen können. Da half auch nicht, dass der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell die „inakzeptable Lage“ beschwor. Auch er musste wie der Sicherheitsminister klein beigeben.

Jetzt soll das Lager Lipa also im Beisein der Migranten nach und nach winterfest gemacht werden. Angesichts der Lage sei die EU bereit, zusätzliche 3,5 Millionen Euro für humanitäre Hilfe an Bosnien zu zahlen, heißt es aus Brüssel. Diese würden zu den 4,5 Millionen Euro hinzukommen, die bereits im April 2020 zugesagt worden waren.

Am Limit

Als die Delegation am Sonntagnachmittag wieder abfuhr, waren die Menschen enttäuscht. Manche sind in den Hungerstreik getreten. Ob die IOM, deren Mitarbeiter aus Protest gegen die haltlosen Zustände in Lipa am 21. Dezember aus dem Lager abgezogen sind, die Versorgung der Migranten wieder aufnimmt, ist noch nicht sicher.

So bleiben nur NGOs wie das Rote Kreuz Bihać oder SOS-Bihać, die versuchen, die kleineren Spenden aus dem In- und Ausland an die Migranten in Lipa und in den Wäldern zu verteilen. Die teils freiwilligen Mitarbeiter sind an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, die Organisationen brauchen dringend Spenden.

Der Ruf vieler Migranten nach Hilfe von der EU wird wohl ungehört bleiben. Nach der Äußerung von CDU-Vorstandskandidat Friedrich Merz, Deutschland werde keine Migranten aufnehmen, forderten humanitäre Organisationen in Deutschland immerhin das Gegenteil.

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9 Kommentare

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  • "Lipa heißt im dalmatinischen Dialekt „schön“."

    Hmmm? Nun ja, es dürfte eine 'einfachere' (bzw. wahrscheinlichere) Erklärung für die Herkunft des Ortsnames Lipa geben.



    Die Schriftform spricht eher für Linde (lipa = Linde). Schon in den protoslawischen Sprachen hatte "lipa" die Bedeutung "Linde".

    Und "lipa" fand in slawischen Orts- und Flurnamen häufig Verwendung. Auch in den ehemals slawischsprachigen Gebieten Deutschlands findet man noch solche Ortsnamen z. B. Leipzig wahrscheinlich von "lipca" (kleine Linde bzw. Lindchen).

  • Was ich selten erwähnt sehe: Die Stimmung in Bihać gegen den Aufenthalt der männlichen Migranten (immerhin ein realistisches Bild im Artikel, danke dafür) scheint erst massiv umgeschlagen zu sein nachdem die Tausenden gelangweilten, festsitzenden (nein, der ersehnte illegale Grenzübertritt nach Kroatien wird nicht plötzlich magisch erlaubt nach diversen Fehlversuchen) frustrierten einzelnen Migranten sich mit Diebstählen, Belästigungen und scheinbar auch Vergewaltigungen im Ort zur Gefahr machten.



    Die Einheimischen hatten/haben größtenteils nichts gegen die Familien die untergebracht wurden, laut verschiedenen einheimischen Messageboards. Übrigens sah man selbst einige in- und ausländische NGO-Mitarbeiter vorsichtig zugeben, dass es wohl zu "Vorfällen" gekommen sei, die sich auch gehäuft haben könnten und dass in Bihać einheimische Frauen alleine nicht mehr hätten unterwegs sein können... Selbst NGOs nahestehende Bosnier haben das kriminelle, asoziale Verhalten eines Teils der Leute erwähnt in ihren Erklärungen bzw Sichtweisen der Lage vor Ort.

    Das schnelle Anzünden der Zelte, dass häufig so kleingeschrieben wird, und die diversen Interviews wo Migranten in Bosnien offen diverse Straftaten zur Einwanderung zugeben, lässt mich zumindest nicht an diesen vielen Schilderungen der Situation vor Ort zweifeln. Die Migranten wollen nicht dort sein wo sie sind. Was viele Interviews ja klar offenlegen: inklusive der durchaus bekannten Chancenlosigkeit auf bzw Nichtzutreffen von Asyl bzw offenes Erwähnen von Untertauchen in Italien etc. Und lassen das auch die Bevölkerung spüren, teils auf kriminelle Art und Weise. Das erklärt die inzwischen kategorische Weigerung der Bosnier, diese Leute nicht bei sich in den Orten haben zu wollen - im Gegensatz zu früher, wo man das ja zuließ. Ich hätte da gerne mehr Recherche zur Situation der Bosnier dort und *warum* sie tun was sie tun, nach ursprünglicher Hilfe. Traurig, dass man sich selbst auf die Suche nach Infos machen muss.

  • Wo sind eigentlich die 85 Mio. Euro für die Flüchtlingshilfe von der EU für Bosnien hin?



    Warum wird diesem Missstand nicht mit aller Kraft nachgegangen?



    Jetzt wird wegen der humanitären Krisensituation Geld nachgeschoben. Verständlich und nachvollziehbar. Aber man hat in der Presse den Eindruck, dass auf das in den dunklen Kanälen verschwundene Geld nur mit einem Schulterzucken in Brüssel reagiert wird.



    Wer hat sich in Bosnien auf Kosten der Flüchtlinge persönlich bereichert? Diese Frage hätte ich gerne beantwortet.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Alfonso el Sabio:

      Das ist offenbar ähnlich gelaufen, wie in Griechenland. Da sind 2 Milliarden Euro nicht mehr auffindbar und die Politiker in der EU schweigen!!!!!!!

      • @17900 (Profil gelöscht):

        "...wie in Griechenland."



        Die Milliarden gab es hier ja auch nicht für, sondern gegen die Migranten.



        Und das ist teuer - siehe Grenzzaun zur Türkei samt Personal, Schnellboote, etc.



        Es gibt keine Pushbacks, also gibt es auch keine Zahlungen dafür, also fragt auch niemand nach dem Verbleib der Zahlungen. So einfach ist das.



        Verkauft wird uns (auch von den Medien) die angebliche Unfähigkeit der Griechen, Fremde in festen Unterkünften unterzubringen. Ausgerechnet Griechenland, das Land der Hotels und der Zementproduktion. Wer mal selbst gesehen hat, wie schnell dort ein (erdbebensicherer) Rohbau hochgezogen wird, der kann darüber nur lachen.

  • 0G
    01022 (Profil gelöscht)

    Zu Frage 2: Wehrschütz in der ZiB 2 des ORF, 29.12.20 Beitrag "Flüchtlinge in Bosnien in Lebensgefahr"



    "Akzeptable Unterkünfte haben in Bosnien Familien mit Kindern und unbegleitete Minderjährige. In ihren Lagern gibt es noch Platz für weitere Aufnahmen." (Ab 26:40 min tvthek.orf.at/prof...211/ZIB-2/14076680 )

  • Ein paar Fragen und Anmerkungen.



    1. Im Artikel steht das sich wohl ca. 8500 MigrantInnen, teilweise Minderjährige , in Bosnien aufhalten. Wie sind denn alle her ? Aus der EU (Griechenland) raus und jetzt wieder rein ??



    2. Auf fast jeden Foto (wie hier im Artikel) und Video (YT) im Zusammenhang mit Lipa sind immer nur vergleichsweise junge erwachsene Männer zu sehen, keine Kinder, keine Frauen. Entspricht das der Realität? Sicherlich nicht. Nur werden mit dieser visuellen Vorurteile nur noch weiter geschürt und bestärkt und solch Populisten wie Merz, Seehofer und Konsorten wird noch mehr Munition gegeben . MICH nehme ich bei Vorurteilen (die manchmal auch bestätigt werden) da auch nicht aus.



    3. Ja die Verhältnisse sind schlimm gewesen aber wie bekloppt, dumm (Verzweiflung ist das nicht) und egoistisch muss Man(n) eigentlich sein um die beschissene Lage zu verschlimmern indem Man(n) das Zeltlager anzündet.



    4. Liebe Bosnier w.t.f. , ihr wart vor nichtmal 30 Jahren selber Flüchtlinge, muslimische, orthodoxe, katholische, religionsfreie.