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Gefahren von sozialen MedienInstagram, öffne dich!

Der Konzern Meta soll verheimlichen, wie gefährlich die Plattform Instagram für Jugendliche ist. Forschende fordern mehr Transparenz.

Bei einem Drittel der Mädchen verschärft Instagram Unwohlfühlen im eigenen Körper, so eine Studie Foto: Lev Dolgachov/imago images

Sie wollen forschen, aber sie dürfen nicht. Welchen Einfluss hat Instagram auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen? Über 250 Wis­sen­schaft­le­r:in­nen appellierten in einem offenen Brief am Montag an Meta-Chef Mark Zuckerberg, die Plattform für die Forschung zu öffnen.

Grund dafür sind unter anderem Zahlen wie diese: 13 Prozent der britischen Teenager, die Selbsttötungsgedanken haben, geben dafür Instagram als Auslöser an. Bei einem Drittel der Mädchen verschärft Instagram ein Unwohlfühlen im eigenen Körper. Die Ergebnisse klingen alarmierend und lassen vermuten, dass Instagram einen negativen Einfluss auf Jugendliche hat. Tatsächlich aber führten laut Süddeutsche Zeitung nur 16 britische Teenager ihre Suizidgedanken auf Instagram zurück. Die Stichprobe war also so klein, dass daraus keine repräsentativen Schlüsse gezogen werden können.

Die Daten zeigen trotzdem, dass es wichtig ist, Instagram der Wissenschaft zugänglich zu machen. Sie stammen aus einer internen Studie des Meta-Unternehmens von 2019, die bis September dieses Jahres unter Verschluss gehalten wurde. Die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin und Whistleblowerin Frances Haugen machte sie und andere interne Dokumente öffentlich. Medien auf der ganzen Welt berichteten über die „Facebook Papers“. Vermutlich verheimlicht der Mutterkonzern Meta seit Jahren, wie gefährlich die Plattform wirklich für Heranwachsende ist. Am Mittwochabend deutscher Zeit muss Instagram-Chef Adam Mosseri sich nun dem US-Senat stellen.

Die geleakten internen Studien mögen zeigen, dass das Unternehmen zu verstehen versucht, wie sich Instagram auf die Psyche junger Menschen auswirkt. Forschende kritisieren jedoch die mangelnde Seriosität. Die Studien basieren auf nicht repräsentativen Stichproben, unterscheiden nicht zwischen Korrelation und Kausalität, sind methodisch fragwürdig. Die Ur­he­be­r:in­nen des offenen Briefs vom Oxford Internet Institut schreiben: „Wir sind der Meinung, dass die bisherigen Methoden nicht die hohen wissenschaftlichen Standards erfüllen, die erforderlich sind, um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen verantwortungsbewusst zu untersuchen.“

Neue Funktion bei Instagram

Zen­tral sind drei Forderungen: Meta soll sich zu Transparenz in der Forschung verpflichten, zu einer unabhängigen globalen Forschung beitragen und einen unabhängigen Rat für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen auf Meta-Plattformen einrichten.

Ruben Arslan ist Un­ter­zeich­ne­r des Briefs und forscht zu Persönlichkeitspsychologie an der Universität Leipzig. „Nach unserem gegenwärtigen Wissensstand haben soziale Medien und ‚screen time‘ im Mittel, wenn überhaupt, nur schwache kausale Effekte auf die psychische Gesundheit. Die akademische Wissenschaft kann aber oft nur indirekt erfassen wie viel und auf welche Art soziale Medien genutzt werden, geschweige denn Inhalte und Zugang experimentell kontrollieren, was die Forschung erschwert“, sagt Arslan. Deshalb unterstütze er die Forderung der Au­to­r:in­nen

Ein externer Zugang zu den Daten sei wichtig: „Datenauswertung wird nur Wissenschaft, wenn wir Transparenz und Unabhängigkeit haben.“ Abgesehen von den handfesten Problemen, hätten Firmen ein Vertrauensproblem in der öffentlichen Wahrnehmung, wenn sie sich nur selbst begutachteten, so Arslan.

Meta hatte in der Vergangenheit bereits öfters versucht, Forschungsprojekte zu verhindern. Im Sommer 2021 wollte die deutsche NGO Algorithm Watch mehr über den Algorithmus von Instagram herausfinden und bot eine Browser-Erweiterung an, die 1.500 Nut­ze­r:in­nen herunterluden. Die Daten deuteten darauf hin, dass der Algorithmus Bilder mit viel nackter Haut bevorzugt. Meta warf den Wis­sen­schaft­le­r:in­nen vor, damit gegen die Nutzungsbedingungen zu verstoßen und drohte mit juristischen Schritten. Auf einen Rechtsstreit mit dem Konzern wollte die NGO es nicht ankommen lassen und beendete das Projekt.

Pünktlich zur Anhörung vor dem US-Senat hat Instagram eine neue Funktion eingeführt, die jugendliche Nut­ze­r:in­nen zum Pausemachen auffordert. Die „Take A Break“-Funktion ermuntere, das Scrollen nach einer Weile zu unterbrechen. Weitere Schutzmaßnahmen wie strengere Maßstäbe bei der Empfehlung von Inhalten für Jugendliche wurden angekündigt. Ob Mosseri den Senat so besänftigen kann, bleibt fraglich.

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1 Kommentar

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  • Das Thema ist komplex und nicht leicht zu verstehen.



    Aber wenn man sich vor Augen hält, dass die Suchmaschinen der ersten Stunde das Ziel hatten die Suchenden möglichst schnell und treffgenau ein Ergebnis zu liefern, die Suchmaschinen heute aber eher das Gegenteil beabsichtigen (nämlich die Suchenden möglichst lange zu beschäftigen und möglichst viel rumklicken zu lassen) wird der ganze perfiede Kapitalisierungsmechanismus offensichtlich.

    Ein weiteres simpeles Beispiel sind die modernen Hotlines die ja keineswegs das Ziel haben einen Kunden bei Fehlern zu helfen und zu beraten sondern primär den Kunden hinzuhalten und zum Aufgeben zu motivieren.

    Und jeder kennt sicher die "Premiumnummern" (welch ein Euphemismus) die so offensichtlich die Anrufer hinhalten und einlullen dass man schon ein arg dickes Fell haben muss um das zu ertragen. Wehe dem, der auf solche Angebote angewiesen ist (z.B. bei Reisemängeln)

    Vorbei die Zeiten in denen eine Suche in einem Onlinewarenhaus vergeblich ist.



    Gefunden wir immer was.

    Wers nicht glaubt kann ja mal beim "Schuhverkäufer der ersten Stunde" Amazon nach Knurpselwurps suchen ...

    Aber ich bin abgeschweift ...