DIE CDU HAT DEN RECHTSPOPULISTEN SCHILL ERST STARK GEMACHT: Gefährlicher als die DVU
Noch nie ist eine Partei so abgestürzt wie die CDU am Sonntag in Berlin: 17 Prozentpunkte minus. Eine Katastrophe. Aber nur für die Landes-CDU. Für die Bundespartei war das Debakel in der Hauptstadt vorauszusehen und es lässt sich leicht erklären: Schuld sind der Berliner Bankenskandal und der Spitzenkandidat Frank Steffel.
Mehr Sorgen macht den Parteistrategen die letzte Wahl in Hamburg – und die im April 2002 anstehende Wahl in Sachsen-Anhalt. Und diese Sorge hat einen Namen: Ronald Schill. Der Erfolg des rechtspopulistischen Amtsrichters in Hamburg hat die CDU mehr geschockt als die Pleite in Berlin. Denn ihm ist es gelungen, auf dem Terrain der CDU zu wildern: bei der inneren Sicherheit. Nun schickt sich Schill an, der CDU mit demselben Thema auch in Sachsen-Anhalt Konkurrenz zu machen. Noch ist unklar, ob er dafür genug Helfer zusammenbringt und die Zeit reicht, sich und sein Programm im Osten so populär zu machen wie in Hamburg. Aber so unwahrscheinlich ist das nicht: Die Wähler in Sachsen-Anhalt sind für starke Sprüche empfänglich. Bei der letzten Landtagswahl erreichte die rechtsradikale DVU mit einer kurzen, aber heftigen Kampagne mehr als 13 Prozent. 13 Prozent, die diesmal Schill wählen könnten, da die DVU sich inzwischen so gut wie aufgelöst hat.
Das Potenzial für Schills Partei ist sogar noch größer – wenn es ihm, wie in Hamburg, gelingt, neben den Rechten auch gutbürgerliche Wähler anzusprechen. Und das schreckt die CDU. Sachsen-Anhalt ist der letzte Test vor der Bundestagswahl, eine weitere Niederlage kann sie sich nicht leisten. Entsprechend verzweifelt versucht sie, das Feld der inneren Sicherheit zurückzuerobern.
Nur: Das Problem Schill hat sich die CDU selbst eingebrockt. Eigentlich müsste ihr daran gelegen sein, dass sich der Richter und seine Partei nach ihrem Erfolg in Hamburg ebenso schnell als unfähig erweisen wie die DVU in Sachsen-Anhalt. Aber darauf bauen kann sie nicht – weil sie ja mit Schill koaliert. Die gemeinsame Politik mit Schill in Hamburg muss die CDU als Erfolg verkaufen – und damit macht sie ihn noch stärker. LUKAS WALLRAFF
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