Gefährliche Alkaloide: Krebsgefahr durch Kamillentee
In mehreren Kräutertees wurden hohe Dosen giftiger Stoffe festgestellt. Das Bundesamt für Risikobewertung warnt vor übermäßigem Konsum.
BERLIN taz/afp | Ob schlechtes Wetter, Kratzen im Hals, miese Laune oder Bauchweh – Tee gilt als entspannendes, wärmendes und zugleich kalorienarmes Getränk für jede Gelegenheit. Dieses gute Image ist jetzt angekratzt: Bei einer Untersuchung von 221 Teesorten stellte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in mehreren Proben hohe Dosen potenziell giftiger und krebserregender Pyrrolizidinalkaloide fest.
Das sind sogenannte sekundäre Stoffe, die Pflanzen zur Abwehr gegen Fressfeinde bilden. Eine akute Gesundheitsgefährdung hielten die BfR-Experten für unwahrscheinlich. Sie warnten aber, der langfristige Genuss überdurchschnittlich großer Mengen könne vor allem für Kinder, Schwangere und Stillende riskant sein.
Die Wissenschaftler analysierten handelsübliche Kräuterteeproben – Babyfencheltee, Fencheltee, Kamillentee, Kräutermischungen, Pfefferminztee, Brennnesseltee und Melissentee – sowie Teedrogen, also getrocknete Heilpflanzen. In Einzelfällen seien „unerwartet hohe Gehalte“ der sekundären Pflanzenstoffe gefunden worden, sagte BfR-Präsident Andreas Hensel. Die Untersuchung war nicht repräsentativ. Weitere Analysen sollen folgen, auch von schwarzen und grünen Teesorten.
Keine gesetzlichen Grenzwerte
Einen gesetzlichen Grenzwert für Pyrrolizidinalkaloide gibt es in Deutschland nur für Arznei-, nicht für Lebens- oder Futtermittel. Da sich einige dieser Stoffe im Tierversuch aber als krebserregend und leberschädigend zeigten, sollte die Belastung der Lebensmittel so niedrig wie möglich gehalten werden.
Konkret fordert das BfR, Teechargen vor der Vermarktung ausreichend zu kontrollieren. Die betreffenden Unternehmen müssten den Ursachen der hohen Konzentrationen in ihren Produkten nachgehen.
„Ob sich die gesundheitsgefährdenden Stoffe in den Teepflanzen oder in daneben wachsendem Unkraut befinden, wissen wir derzeit nicht genau“, sagt Alfonso Lampen, Leiter der Abteilung Lebensmittelsicherheit beim BfR. Bei Pfefferminz- und Kamillentee halte man eine Kontamination für wahrscheinlich. „Wir wollen aber auch nicht ausschließen, dass sich etwa in Fenchel auch Pyrrolizidinalkaloide bilden können.“
Pyrrolizidinalkaloide kommen in mehr als 6.000 Pflanzenarten vor. In Deutschland gehören dazu beispielsweise das Jakobskreuzkraut, das Gemeine Geiskraut oder der Natternkopf.
Herstellernamen werden nicht genannt
Das BfR betonte, eine sichere Aussage zum gesundheitlichen Risiko beim regelmäßigen Genuss von belasteten Teeaufgüssen sei derzeit noch nicht möglich. Das hänge vor allem damit zusammen, dass die Untersuchung nicht repräsentativ sei. Aus dem gleichen Grund wolle man auch noch keine Herstellernamen nennen.
„Es ist häufig so, dass Behörden Testergebnisse vorliegen haben, aber die Namen der Produkte nicht nennen“, sagt Martin Rücker, Sprecher der Verbraucherorganisation Foodwatch. „Bei der Acrylamidbelastung von Lebensmitteln zum Beispiel hat das Bundesamt für Verbraucherschutz ebenfalls keine Daten für konkrete Produkte veröffentlicht.“ Foodwatch musste erst einen formellen Antrag nach dem Verbraucherinformationsgesetz stellen und die Informationsansprüche durchfechten, bis es zur Veröffentlichung kam. „Bis dahin“, so Rücker, „waren die Daten längst veraltet.“
Ein „normaler Konsum von Kräutertee und Tee sei weiterhin bedenkenlos möglich“, hieß es beim Deutschen Teeverband in Hamburg. Wie bei anderen Lebensmitteln gelte auch bei Kräutertee und Tee, dass eine abwechslungsreiche Ernährung ratsam sei. Angesichts der Vielzahl angebotener Tees sei die auch für passionierte Teetrinker problemlos möglich. Zur Sicherheit wollen die betroffenen Unternehmen nach Angaben des Verbandes aber trotzdem umgehend „Maßnahmen zur Minimierung der Stoffe in handelsüblichen Produkten“ einleiten.
Für die Teebranche steht einiges auf dem Spiel. In Deutschland etabliert sich Tee gerade erst als Lifestyle-Getränk. 2012 konsumierten die Verbraucher knapp 19.000 Tonnen, das sind rund 27 Liter pro Kopf – immerhin 2,5 Prozent mehr als 2011.
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