■ Mit Lauflernhilfen auf du und du: Gefährdete Kleinkinder
Berlin (dpa) – Laufen lernen kann für Kleinkinder lebensgefährlich sein – zumindest wenn ihre besorgten Eltern ihnen zu diesem Zweck sogenannte Lauflernhilfen besorgen. Nach einer Untersuchung der Stiftung Warentest verursachen „Babywalker“ jährlich in Deutschland nahezu 6.000 schwere Stürze.
„Wer ein solches Produkt besitzt, soll es auf den Schrott werfen“, riet gestern der Projektleiter der Stiftung, Rüdiger Simonides, in Berlin. Mehrere hunderttausend Geräte sollen derzeit in Deutschland im Gebrauch sein. Gemeinsam mit elf europäischen Verbraucherorganisationen prüften die Tester 15 verschiedene Modelle. In allen Fällen, so Peter Sieber von Stiftung Warentest, könne vom Kauf nur abgeraten werden. Noch nie in der dreißigjährigen Geschichte der Stiftung sei ein Test so schlecht ausgefallen.
Die Lauflernhilfen werden für Kinder zwischen 8 und 13 Monaten zur häufigsten Unfallursache überhaupt. Ursächlich dafür sind die hohen Geschwindigkeiten, die mit Babywalkern möglich werden: Die zwanzig Kinder, die am Gerätetest teilnahmen, erreichten mit den Lauflernhilfen Geschwindigkeiten von bis zu zehn Stundenkilometern. Bei Stürzen verletzten sich die Kinder häufig am Kopf, so Simonides; es habe auch schon Schädelbrüche gegeben.
Kein Wunder, daß auch Kinderärzte dringend von den Lauflernhilfen abraten. Die Kinder würden mit diesen Geräten teilweise sogar später laufen lernen als ohne, weil sie ihnen die Aufgabe abnehmen, das Gleichgewicht zu halten. Ohne Babywalker müssen die Kinder praktisch noch mal neu laufen lernen.
Technische Verbesserungen zur Minimierung des Unfallrisikos würden keinen Sinn machen, erklärte Rüdiger Simonides. Das Produkt sei schlicht überflüssig. Technische Hilfen seien für das Laufenlernen überhaupt nicht nötig. Die normale Unterstützung durch die Bezugspersonen des Kindes bei den ersten Schritten reiche völlig aus.
Die Verbraucherschützer orientierten sich bei ihrer Untersuchung an einer europäischen Norm, die noch nicht gilt und strenger ist als die aktuellen nationalen Standards. Die durchweg mit „sehr mangelhaft“ bewerteten Geräte hätten die geltende deutsche Norm allesamt erfüllt.
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