Gedenktag der Russlanddeutschen: Vereinnahmtes Gedenken
Am Mittwoch wird in Marzahn an die Deportation der Russlanddeutschen 1941 erinnert.
![](https://taz.de/picture/7207795/14/105364803-1.jpeg)
Der Grund: Russlanddeutsche wurden kollektiv der Kollaboration mit Nazideutschland verdächtigt. Menschen wurden in Viehwagen zusammengepfercht und in der kasachischen Steppe „abgekippt“, wo sie sich selbst Erdhütten graben und Zwangsarbeit leisten mussten. In den Zwangsarbeitslagern mussten sie bei schlechter Ernährung, extremer Kälte und Schlägen harte Arbeit leisten. Hunderttausende Russlanddeutsche starben in den Lagern oder auf dem Transport dorthin.
2001 wurde auf Initiative des russlanddeutschen Vereins Vision auf dem Parkfriedhof Marzahn ein Gedenkstein für die in der Deportation umgekommenen Russlanddeutschen errichtet.
Diesen Mittwoch findet dort, wie jedes Jahr am 28. August, eine Gedenkveranstaltung statt. Waren diese anfangs noch überparteilich, wurden sie in den vergangenen Jahren unter dem Einfluss von Walter Gauks zunehmend von der CDU vereinnahmt. Gauks ist seit diesem Jahr Ansprechpartner für Spätaussiedler und Vertriebene und unter Russlanddeutschen umstritten.
Gauks lädt ins Rote Rathaus ein
In diesem Jahr lädt Gauks zu einer Gedenkveranstaltung ins Rote Rathaus ein, an der auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) teilnimmt. Dazu werden Russlanddeutsche aus Marzahn, Spandau und Marienfelde mit eigens gecharterten Bussen zur Veranstaltung gefahren. „Ein Rundum-sorglos-Paket der CDU, womit sie der Zielgruppe sagen will, die CDU sei für sie da“, kommentiert die Russlanddeutsche Dara Kossok-Spieß von den Grünen ironisch.
Kossok-Spieß freut sich zwar, dass es die Gedenkveranstaltung „endlich ins Rote Rathaus geschafft hat“. Sie wünscht sich aber mehr Gegenwartsbezug. Damit ist sie nicht allein. „Ich könnte ja hingehen, aber ich will die Omis nicht verschrecken“, sagt ein offen schwul lebender Russlanddeutscher der taz mit Blick auf die in die Jahre gekommene traditionell denkende Zielgruppe. Es ist also nicht verwunderlich, dass der Verein Riwwel eine Gegenveranstaltung im Kreativhaus auf der Fischerinsel in Mitte plant. Obwohl Vereinschef Nikita Heidt das Wort „Gegenveranstaltung“ nicht gern hört.
Der Verein repräsentiert Menschen, die in den letzten Jahren aus den GUS-Staaten nach Deutschland kamen. Sie stehen dem russischen Staat oft sehr viel kritischer gegenüber als viele derjenigen Russlanddeutschen, die schon in den 1990er Jahren nach Deutschland zogen. „Ich selbst habe Russland verlassen, weil es dort keine Meinungsfreiheit gibt. Andere kamen, weil sie dort nicht queer leben konnten und keinen Kriegsdienst leisten wollen“, sagt Heidt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!