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Gedenken an WiderstandkämpferEingezäunte Erinnerung

Ein neuer Park ist schon da: Ein Gedenkort könnte entstehen, wo Annedore und Julius Leber den Widerstand gegen Hitler unterstützten.

Der Parkweg führt am geplanten Gedenkort vorbei. Foto: Julika Bickel

Berlin taz | Leuchtend grüner Rasen, Parkbänke und ein Weg, der aus der Geschichte „Der Zauberer von Oz“ stammen könnte. Ende Mai eröffnete der Bezirk Schöneberg einen Grünzug am südlichen Ende des Stadtviertels Rote Insel. Inmitten dieser idyllischen Parkanlage verrottet hinter Absperrzäunen ein historischer Ort. In der Torgauer Straße, Ecke Gotenstraße steht das Büro der ehemaligen Kohlenhandlung von Annedore und Julius Leber, die während der NS-Zeit ein geheimer Treffpunkt für Widerstandskämpfer war.

Es ist ein Lost Place, ein verlassener Ort, der dem Verfall ausgesetzt ist. Die Wände sind mit Graffiti beschmiert, daneben häuft sich Schutt, Pflanzen wuchern aus den Ritzen zwischen den Pflastersteinen hervor.

Es war das Jahr 1937. Der frühere SPD-Reichstagsabgeornete und Journalist Julius Leber kam nach vier Jahren Haft in Gefängnis und Konzentrationslagern frei. Er fand eine Stelle in der Kohlenhandlung in der Torgauer Straße. Julius Leber vernetzte sich mit anderen Oppositionellen. Heimlich traf er sich mit ihnen in dem unauffälligen Bürohaus der Kohlenhandlung.

1943 lernte Leber über die Widerstandsgruppen Goerdeler und Kreisauer Kreis Claus Schenk Graf von Stauffenberg kennen. Sie planten, das NS-Regime mithilfe von Militärs zu stürzen. Julius Leber spielte bei dieser Verschwörung eine Schlüsselrolle: Er sollte Innenminister der neuen Regierung werden. Als zwei Kommunisten zu einem Treffen unwissentlich einen Gestapo-Spitzel mitbrachten, flog er auf. Julius Leber wurde noch vor Stauffenbergs Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 verhaftet und zum Tode verurteilt.

Provisorische Open-Air-Ausstellung

Nach dem Krieg baute seine Witwe Annedore Leber das zerbombte Gebäude wieder auf und verkaufte weiter Kohlen für Heizzwecke. In einem der zwei Büroräume richtete sie zudem einen eigenen Verlag ein. Mit ihren Büchern machte sie den Widerstand in der NS-Zeit bekannt und widersprach der gängigen Meinung, man habe sich gegen die Nazis nicht wehren können. Bis in die 60er Jahre engagierte sie sich politisch und setzte sich vor allem für die Berufsbildung junger Frauen ein. Nach ihrem Tod im Jahr 1968 wurde das Kohlengeschäft verkauft und fünf Jahre später eingestellt.

2009 erwirbt das Land Berlin alle Flächen der Torgauer Straße. Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg will die ehemalige Kohlenhandlung abreißen und ein abstraktes Kunstobjekt als Denkzeichen an die Stelle setzen. Engagierte Bürger_innen und Vereine wie die Berliner Geschichtswerkstatt verhindern das. Es bildet sich ein Arbeitskreis, der einen Lern- und Gedenkort Annedore und Julius Leber fordert. SPD, Grüne und Linke sind sich schnell einig, dass das Gebäude erhalten bleiben soll, die CDU stellt sich allerdings quer. Lange herrscht Stillstand. Die Politiker_innen können sich nicht einigen, wie der Neubau aus den 50ern historisch zu bewerten ist. Langsam kämen sie zu einem Einvernehmen, sagt Melanie Kühnemann von der SPD.

Das Geld des Bezirks reicht jedoch nicht aus, um eine Gedenkstätte zu verwirklichen. Vermutlich wird der Stadtteilverein Schöneberg nun die Trägerschaft für den Lern- und Gedenkort übernehmen. Das Annedore-Leber-Berufsbildungswerk würde darin ein Café betreiben. Zudem sind Lottomittel im Gespräch. Auch der Senat wird das Projekt wahrscheinlich unterstützen.

Wann es so weit sein wird, weiß jedoch keiner. Anfang Juli beschloss das Bezirksamt auf Initiative der SPD, dass der Grünzug Torgauer Straße den Namen „Annedore-Leber-Park“ erhält. Im Moment erinnert jedoch lediglich eine provisorische Ausstellung hinter Gitterzaun an die Widerstandsbewegung. An dem Flachbau hängt ein Banner, das auf den Gedenkort verweist. Laminierte Plakate, auf Holzstaffeleien gestellt, erzählen von dem Ehepaar Leber. Der Arbeitskreis wünscht sich, dass die Denkstätte in den Park integriert wird. Der Zaun soll verschwinden.

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2 Kommentare

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  • Es gibt eigentlich so keinen Gedenkort, der an den gesamten Widerstand gegen Hitler erinnert.

     

    Beim Deutschen Anwaltverein sind die in der NS zeit ermordete Anwälte im Stein eingraviert. Gern würde man so ein Denkmal auch an dem geplanten Gedenkort sehen.

     

    Und die Geschichte von Hans Litten darf hier nicht fehlen.

     

    Man stellt sich immer wieder eine Frage: Was wäre, wenn...was wäre, wenn Hitler, noch vor dem Zweiten Weltkrieg gestürzt wäre. Schon Herr Hans Litten spürte diese Gefahr, die vom Hitler ausging; leider konnte er die Öffentlichkeit davon nicht überzeugen.

    http://www.brak.de/die-brak/buero-berlin/rechtsanwalt-hans-litten/

  • Wieso, frage ich mich, kommt mir gerade der (doch gewiss recht abwegige) Gedanke, es würde diesen wichtigen Gedenkort schon längst geben, wäre der Name dieses mutigen Mannes nicht einfach Julius Leber gewesen wäre, sondern beispielsweise Graf Julius von Leberberg?