Gedenken an Olympia-Attentat: Doch dazugelernt
Dass sich die deutsch-israelischen Beziehungen so positiv entwickelt haben, ist ein Wunder. Denn nach dem Versagen von München 1972 hätte es anders laufen können.
A ls vor 50 Jahren Terroristen israelische Sportler während der Olympischen Spiele in München als Geiseln nahmen, hat der bundesdeutsche Staat versagt, und das in mehrfacher Weise. Er ließ es geschehen, dass alle elf Olympioniken ermordet wurden. Anschließend gab sich die Politik unschuldig, verweigerte das Eingeständnis des Fehlverhaltens oder gar eine Entschuldigung. Die überlebenden Terroristen ließ man kurz darauf unbehelligt ziehen.
Im Jahr 1972 bestanden erst seit sieben Jahren diplomatische Beziehungen zwischen beiden Staaten, von Freundschaft konnte keine Rede sein. Vielen der Ermordeten wird es schwer gefallen sein, München, die einstige „Hauptstadt der Bewegung“, zu betreten, und damit ein Land, in dem Altnazis unbehelligt weiterwirken konnten. Das Vergessen auf deutscher Seite nach dem Attentat erinnerte frappierend an ähnliche Reaktionen nach 1945.
Bei allem Gezerre um Entschädigungszahlungen für die Hinterbliebenen gilt es 50 Jahre später festzuhalten, dass sich diese Beziehungen positiv gewandelt haben. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Staatsoberhäupter beider Länder persönlich befreundet sind. Es ist auch nicht selbstverständlich, wie geräuschlos die Friktionen bei der Frage der Entschädigungen überwunden wurden. Und es ist erst recht nicht selbstverständlich, dass viele Israelis heute Deutschland wieder Vertrauen entgegenbringen.
Diese Entwicklung war kein Selbstläufer. Alte Wunden heilen eben nicht. Bei allen gut gewählten Worten des Bundespräsidenten und der Bitte um Verzeihung am Montag in München: Es ist vor allem die bundesdeutsche Zivilgesellschaft, die für eine Annäherung gesorgt hat. Das Eingeständnis von Schuld, aus dem die Pflicht zur Bewahrung der Erinnerung erwächst, bleibt Grundlage für das künftige Verhältnis zischen Deutschen und Israelis – aber auch, wenn es um Antisemitismus heute geht. Zu Recht werden hierzulande die NS-Gräuel verurteilt – aber viel zu selten gilt Gleiches für Judenhass ohne NS-Regime. So wie in München 1972.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!