Gedenken an Amadeu Antonio: „Unseren Bruder nicht vergessen“
Vor 30 Jahren wurde Amadeu Antonio in Eberswalde Opfer rassistischer Gewalt. Sein Freund Augusto Jone Munjunga erinnert sich.
Heute ist Munjunga Sprecher des afrikanischen Kulturvereins Palanca. Am Donnerstag sprach er auf Einladung des Mediendienst Integration über die Geschehnisse in jenem Jahr 1990 bei einer Onlineveranstaltung, gemeinsam mit Ines Karl, Oberstaatsanwältin und Leiterin der Berliner Zentralstelle für Hasskriminalität, und Anetta Kahane, Vorsitzende der nach Amadeu Antonio benannten Stiftung.
Der 28-jährige Amadeu Antonio gilt als eines der ersten Opfer rassistischer Gewalt nach der Wende. Der Mord führte in Eberswalde zur Bildung zivilgesellschaftlicher Initiativen, die bis heute jedes Jahr an die Tat erinnern. Auch dieses Jahr wird es am 6. Dezember eine Demo und die symbolische Umbenennung der Straße, in der die Tat geschehen ist, in „Amadeu-Antonio-Straße“ geben (siehe Kasten). Denn, wie Munjunga sagt: „Wir wollen unseren Bruder nicht vergessen.“
Amadeu Antonio und Munjunga kamen beide 1987 aus Angola als Vertragsarbeiter in die DDR und arbeiteten in einem Schlachtkombinat in Eberswalde, wo sie sich angefreundet haben. Die Bedrohung durch rassistische Gewalt war damals Alltag, berichtet Munjunga.
Eine Gedenkveranstaltung mit begrenzter Teilnehmerzahl findet – unter Beachtung der Corona-Auflagen – in Eberswalde am 6. Dezember um 14 Uhr statt. Nach der Auftaktkundgebung am ehemaligen „Hüttengasthof“ (Ecke Lichterfelder / Eberswalder Straße) zieht der Demonstrationszug zur etwa 250 Meter entfernten Gedenktafel für Amadeu Antonio. (taz)
In dem Wohnheim, in dem die Arbeiter untergebracht wurden, „waren nette Leute, die Bescheid gesagt haben, wenn Skinheads unterwegs waren“. In der Nacht des Angriffs auf Amadeu Antonio habe sie allerdings niemand gewarnt – auch nicht die Polizei, die nachweislich davon wusste, dass sich an dem Abend Rechtsextreme treffen wollten, um Ausländer:innen anzugreifen.
„Jeder musste versuchen, sein Leben zu retten“, erzählt Munjunga über jene Nacht im November 1990. Amadeu Antonio und die Freunde, mit denen er unterwegs war, wurden mit Schlägen, Tritten und Baseballschlägern von rund 50 Skinheads attackiert. Während die anderen meist schwerverletzt fliehen konnten, erlag Amadeu Antonio nach elf Tagen Koma am 6. Dezember seinen Verletzungen.
Augusto Jone Munjunga
1994 hat Munjunga gemeinsam mit anderen den afrikanischen Kulturverein Palanca in Eberswalde gegründet, „in einer Zeit, in der viele Angst gehabt haben, als Schwarze Leute zusammenzukommen“. Trotz Anschlägen auf das Vereinshaus und regelmäßigen Anfeindungen veranstalten sie mit dem Palanca bis heute Trommel- und Tanzgruppen und machen antirassistische Bildungsarbeit in Schulen.
Mit Blick auf die Gegenwart sagt Munjunga, dass sich die Situation in den letzten 30 Jahren zwar verbessert habe. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit seien aber weiter ernst zu nehmende Probleme.
Ines Karl unterstützt diese Einschätzung. Insgesamt 2.410 Fälle von Hasskriminalität seien alleine in Berlin im Jahr 2019 gemeldet worden, 570 von ihnen wurden im Internet begangen. Dies sei allerdings „nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Ines Karl. Dahinter liege ein „großes Dunkelfeld“, welches es zu erhellen gelte, denn „auch wenn der Tod von Amadeu Antonio schon lange zurück liegt, ist die Geschichte noch lange nicht beendet“, so Karl.
Mehr als 100 Tote durch rechte Gewalt seit 1990
Auch die Ausführungen von Anetta Kahane weisen in diese Richtung. Nach Angaben der Amadeu-Antonio-Stiftung reiht sich der Mord des Angolaners vor 30 Jahren ein in 113 weitere Todesfälle durch rechte Gewalt, die die Stiftung bisher gezählt hat. Auch wenn die Dunkelziffer in diesem Fall vermutlich ebenfalls höher liegt, da „viele Täter nie ermittelt wurden“, wie Kahane erklärt.
Weil Rassismus heute – wenn auch in anderen, teilweise subtileren Formen – immer noch gegenwärtig sei, ist für Munjunga das Gedenken an die Opfer rassistischer Gewalt von großer Bedeutung. Damals haben er und andere sich entschieden hierzubleiben, um gegen die rassistischen Zustände anzukämpfen. Heute gelte das immer noch, denn, so Munjunga: „Wir wollen weitermachen.“
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