Geburt mithilfe von Youtube-Videos: Tabus gefährden Menschenleben
Nur mithilfe von Youtube hat eine 17-Jährige ein Kind in Indien geboren. Offenbar hoffte sie, mit der gefährlichen Aktion Konsequenzen zu entgehen.
Zuhause versteckt in ihrem Kinderzimmer soll eine 17-jährige Inderin ein Kind zur Welt gebracht haben. Angelernt durch Youtube-Videos soll sie die Geburt und das Durchschneiden der Nabelschnur durchgeführt haben, berichtet das englischsprachige Onlinemagazin India-Today. Offenbar aus Angst vor den Konsequenzen dafür, dass sie vor der Ehe Sex hatte – ein Tabu in Indien.
Für sie und ihr Kind ging die Geburt gut aus, sie haben beide überlebt. Ihre Eltern fanden sie blutend und brachten sie in ein Krankenhaus. Doch eine Geburt allein und ohne Unterstützung, nur um kein Tabu zu brechen, kann auch anders enden. Denn Tabus gefährden Menschenleben.
Das zeigt sich auch bei Schwangerschaftsabbrüchen. Nicht nur in Indien ist das ein gesellschaftliches und rechtlich gestütztes Tabu, das Schwangere daran hindert, sich rechtzeitig Hilfe zu holen und sie letztlich in weitere Gefahr bringt. Auch in Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche noch immer illegal und bis zur 12. Schwangerschaftswoche lediglich straffrei. Und der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen wird in vielen Ländern immer mehr erschwert, zuletzt haben die US-Staaten Mississippi und Texas ihre Gesetze diesbezüglich verschärft – was quasi einem Abtreibungsverbot gleichkommt.
Es ist unklar, wie viele Schwangere unsicher abtreiben
Das Tabu bringt Schwangere dazu, selbst abzutreiben. Das ist für sie gefährlich, verglichen mit einer Abtreibung unter medizinischer Aufsicht. Im schlimmsten Fall sterben die Betroffenen bei dem Versuch. Wie viele Schwangere das betrifft, ist unklar, denn die Selbstabtreibung ist ebenso ein Tabu, entsprechend gibt es keine validen Daten dafür, wie die WHO beklagt. Doch klar ist: Je restriktiver die Gesetze in einem Land sind, desto mehr illegale Abtreibungen finden statt.
Probleme durch Tabus betreffen aber nicht nur ungewollt Schwangere: Viele Krankheiten führen zu ähnlichen Problemen. Betroffene sprechen nicht über Symptome, verheimlichen Schmerzen oder suchen sich keine medizinische Hilfe.
Wer durch Tabuisierungen allein gelassen wird, greift zu Maßnahmen, die für Außenstehende nicht begreifbar sind. Sie begeben sich in Gefahr, wie die 17-Jährige aus Indien, die lieber zu Hause bleibt und im Internet nach einem Ausweg sucht – anstatt sich die medizinische Hilfe zu suchen, die sie als Schwangere verdient.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten