Geberkonferenz für Afghanistan: Mit den Taliban reden muss sein
Humanitäre Hilfe ist nur möglich, wenn man mit den Taliban verhandelt. Ein moralisches Dilemma – aber Menschenleben rettet man bedingungslos.

D ie UN-Hochkommissarin für Menschenrechte hat die Taliban harsch verurteilt: Verfolgung von Kritikern, Verschleppung und Mord wirft Michelle Bachelet den Islamisten vor, unter anderem. Und nichts spricht dafür, dass die Lage sich bessert, schon gar nicht die Lippenbekenntnisse der Taliban. Dass sich nur kurz darauf Vertreter aus der ganzen Welt bei der UNO in Genf treffen, um darüber zu beraten, wie Millionen für die humanitäre Hilfe im Land mobilisiert werden können, klingt paradox.
Denn mehr Hilfe für die Leidenden wird nur möglich sein, wenn humanitäre Helfer mit den Taliban verhandeln. Doch darf man mit Vertretern einer terroristischen Junta sprechen, die gerade dabei ist, die Hälfte der afghanischen Bevölkerung – nämlich Frauen und Mädchen – ihrer Rechte zu berauben?
Man darf – und man muss. Denn die afghanische Bevölkerung kann nichts dafür, dass schwer bewaffnete Islamisten ihr Land erbeutet haben – und auch nichts dafür, dass der Westen Hals über Kopf geflohen ist und jetzt vor allem fürchtet, dass Afghaninnen und Afghanen es ihm gleichtun. Das Mindeste, das dieser Westen jetzt tun kann, ist, die Menschen vor dem unmittelbaren Tod zu retten. Von drei Afghaninnen und Afghanen weiß einer heute nicht, woher er seine nächste Mahlzeit nehmen soll.
Da kann, da darf man nicht darüber diskutieren, ob es nicht eigentlich die Aufgabe der Taliban wäre, für die Versorgung des von ihnen eroberten Landes zu sorgen. Und da darf man auch noch so selbstverständliche Menschenrechte nicht zur Bedingung von Hilfe machen. Menschenleben rettet man bedingungslos.
Organisationen wie die UN oder das Internationale Rote Kreuz haben jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit Terroristen wie den Taliban. Ihre Neutralität in humanitären Fragen hat es ihnen meistens ermöglicht, auch unter schwersten Bedingungen Leben zu retten. Genauso wichtig ist es, dass die Vereinten Nationen die Menschenrechtsverletzungen der Taliban weiterhin scharf kritisieren. Auch hier müssen sie neutral bleiben, den Menschen in Afghanistan verpflichtet.
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