Gay-Parade in Israel: Regenbögen bei 40 Grad im Schatten
Zehntausende nehmen am Umzug der LGBT-Community in Tel Aviv teil. Die Polizei schützt die Veranstaltung mit einem Sonderaufgebot.
Um 10.00 Uhr morgens begrüßte Bürgermeister Ron Huldai die Teilnehmer vor dem Beit hage´e, dem „stolzen Haus“ der LGTB-Community. Von dort aus ging es zwei Stunden später auf Umwegen Richtung Strandpromenade. Eine Gedenkminute für Shira Banki und andere Opfer homophober Gewalt beendete die diesjährige „Parade der Stolzen“ in Tel Aviv.
Die 16jährige Shira Banki war vor knapp einem Jahr während der Gay-Parade in Jerusalem erstochen worden. Der Attentäter war ein ultrareligiöser Jude, dem es gelang, noch mehrere andere Teilnehmer schwer zu verletzen, bevor er dingfest gemacht wurde. Der Mann hatte zehn Jahre zuvor schon einmal Teilnehmer einer Jerusalemer Gay-Parade angegriffen und war erst kurz vor dem Mordfall aus dem Gefängnis entlassen worden.
Aus Sorge vor neuer Gewalt war ein Sonderaufgebot der Polizei bei der Tel Aviver Gay-Parade im Einsatz. Die halbe Stadt blieb für den Autoverkehr gesperrt, um Platz zu machen für den bunten Umzug mit Luftballons, Pfeifen, Trommeln und Musik.
Frauen in der Community
Die diesjährige „Parade der Stolzen“ stand unter dem Motto „Frauen in der Community“. Unter besonderen Personenschutz nahmen die Sicherheitsleute den Likud-Abgeordneten Amir Ohana. Er ist der einzige offen homosexuell lebende Abgeordnete der konservativen Regierungskoalition, und hatte vor der Parade mehrere Drohungen erhalten.
Ohana lebt mit seinem Partner und zwei kleinen Kindern in Tel Aviv. „Sich zu zeigen, ist das beste Mittel, um Homophobie zu bekämpfen“, sagt der hochgewachsene Abgeordnete, der sich in seiner Likud-Partei gut aufgehoben fühlt. Nur mit den ultraorthodoxen Partnern in der Koalition sei es nicht immer leicht.
Einige der frommen Abgeordneten hatten die Vereidigungszeremonie boykottiert, als der schwule Kollege vor einem halben Jahr in die Knesset (israelisches Parlament) einzog. „Anschließend haben mir die meisten doch noch gratuliert“, berichtet Ohana.
„Wir sind heute weiter als je zuvor“, sagt er und gibt sich zuversichtlich, dass „Phobien und Haß zurückgehen“. Vor gut einer Woche fand in Israel der erste Transgender-Schönheitswettbewerb statt. Den Titel gewann eine Christin aus Nazareth, die Israel bei der bevorstehenden internationalen Ausscheidung vertreten wird.
Riesige Kluft
Imri Kalman, der zusammen mit seiner Kollegin Chen Arieli die „Aguda“, den Dachverband der Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender leitet, spricht von einer „riesigen Kluft zwischen der Politik und dem, was sich Israels Bevölkerung wünscht“. Einer Umfrage zufolge befürworteten 76 Prozent aller Israelis das Recht zur gleichgeschlechtlichen Eheschließung. Eine Utopie, solange das Monopol der Eherechte bei den orthodoxen Rabbinern liegt.
Die „Aguda“ muss um staatliche Zuwendungen kämpfen, obschon sich umgekehrt der Staat Israels Schwule und Lesben gern vor den Propaganda-Karren spannt. „Stellen Sie sich Berlin ohne Schwule vor“, hieß es auf einem Werbeplakat des Tourismusministeriums für die Gay-Parade und auf einem zweiten: „Weil alle in Tel Aviv sind“.
Im Kampf um eine Aufstockung der staatlichen Zuwendungen drohte die israelische „Community“ mit einem Boykott der Gay-Parade und setzte eine Vervierfachung der Subventionen durch. Kalman ist stolz auf den Erfolg: „Ich glaube, das war das erste Mal, dass Homosexuelle etwas durchsetzten, indem sie damit drohten, eine Gay-Parade abzusagen.“
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