■ Gastkommentar: Präventionsräte
Alle reden von Prävention, vieles davon ist nur Gerede. So kam jetzt der Innensenator von einer Reise nach London zurück und behauptete, ein „faszinierendes Modell“ ganz neu entdeckt zu haben. Gemeint sind die dort und in den USA schon lange existierenden neighbourhood watches. Teils aus subjektivem Unsicherheitsgefühl, teils weil die Polizei ihre Aufgaben nicht (mehr) erfüllt, greifen die BürgerInnen zur Selbsthilfe und laufen Streife. Überall stehen Schilder mit dem Hinweis, daß alles Verdächtige sofort der Polizei gemeldet wird.
Eine „kiezorientierte Prävention“ hat schon vor Jahren die „Unabhängige Kommission zur Verhinderung von Gewalt in Berlin“ vorgeschlagen, damit aber nicht die Selbsthilfe gemeint. Prävention solle der Versuch sein, problematische Situationen zu verhindern oder zu entschärfen, was selbstverständlich Aufgabe der gesamten Gesellschaft ist. Zu Gegenstrategien muß als erstes der Erhalt der Finanzierung von Jugend- und Sozialeinrichtungen gehören. Als Ergänzung sollten nicht die Bürger Streife laufen und ihre Nachbarn bespitzeln, sondern Behörden, Verbände, Vereine, Anwohner etc. unter Mithilfe von Polizei und Justiz gemeinsam Präventionsräte gründen. Schleswig-Holstein praktiziert dies erfolgreich seit 1990. Elf Arbeitsgruppen beschäftigen sich allein auf Landesebene mit der Verhinderung von Gewalt gegen alte Menschen bis hin zur Erstellung von Lehrplänen. Dort entwickelte Modelle werden schon lange in den Gemeinden erprobt. In Berlin haben Friedrichshain und Neukölln mit der ersten Phase, der Erfassung von relevanten Problemlagen und Defiziten, begonnen: Kriminalitätsverhütung ist dort Bürgermeisterpflicht. Dazu gehört natürlich auch die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln! Renate Künast
Die Autorin ist Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen
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